Quantifizierung des Nutzens neuer onkologischer Therapien: die ESMO-MCBS
Der Wert neuer therapeutischer Strategien ist durch das Ausmaß des klinischen Nutzens, abgewogen gegen die Kosten, bestimmt. Evidenz eines klinischen Benefits neuer Therapieoptionen entsteht durch klinische Forschung, insbesondere durch beweisende, randomisierte Phase-III-Studien. Korrekt durchgeführt und hinreichend gepowert sollten sie unverfälschte Daten hinsichtlich Wirksamkeit, Nutzen und Sicherheit generieren. Bisher gab es aber keine Methode, das Ausmaß des klinischen Nutzens von Krebstherapien einzuordnen, wenn der experimentelle Therapiearm dem Standardarm statistisch signifikant überlegen ist. Hier rangiert der klinische Nutzen von trivial, z.B. in Form von einem medianen progressionsfreien Überleben (Progression free survival [PFS]) von ein paar Wochen, bis substanziell, wie verbessertes Langzeit- oder Gesamtüberleben (Overall survival [OS]). Durch das Fehlen einer standardisierten Herangehensweise zur Einstufung des klinischen Nutzens werden Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus Studien oft hitzig diskutiert. So kommt es, dass bescheidene, inkrementelle Vorteile als „großer Fortschritt“ oder „Durchbruch (breakthrough)“ präsentiert, diskutiert oder gefördert werden.
Um klare und unverfälschte Aussagen zur Größe eines klinischen Effekts neuer therapeutischer Ansätze aus qualitativ hochwertigen klinischen Studien ableiten zu können, hat die Europäische Gesellschaft für medizinische Onkologie (European Society for Medical Oncology [ESMO]) ein validiertes und reproduzierbares Werkzeug zur Beurteilung der Größenordnung eines klinischen Nutzens entwickelt – die European Society for Medical Oncology Magnitude of Clinical Benefit Scale (ESMO-MCBS). Hier werden rationale, strukturierte und konsistente Methoden verwendet, um eine relative Klassifizierung von klinisch bedeutsamen Vorteilen hinsichtlich des Umfangs ableiten zu können, die man von neuen Antikrebsbehandlungen erwarten kann. Auf europäischer Ebene ist die ESMO-MCBS ein erster Schritt einer kritischen „public policy“ des Werts einer Krebsbehandlung vor dem Hintergrund limitierter öffentlicher und personeller Ressourcen. Die ESMO-MCBS ist ein dynamisches Werkzeug, deren Kriterien turnusmäßig angepasst werden. Sie gilt derzeit ausschließlich für solide Tumoren.
Schlüsselwörter: Klinischer Nutzen, Antitumortherapie, klinische Studien, ESMO-MCBS, ESMO
Krankenhauspharmazie 2016;37:528–36.
English abstract
The ESMO-MCBS for evaluating the benefit of anticancer treatments
The value of any new therapeutic strategy or treatment is determined by the magnitude of its clinical benefit balanced against its cost. Evidence for clinical benefit from new treatment options is derived from clinical research, in particular from randomised phase III trials, which ought to generate unbiased data regarding the efficacy, benefit and safety of new therapeutic approaches. There is no standard tool for grading the magnitude of clinical benefit of cancer therapies to date. Benefits may range from trivial (median progression-free survival advantage of only a few weeks) to substantial (improved long term survival). In the absence of a standardized approach for grading the magnitude of clinical benefit, conclusions and recommendations derived from studies are often hotly disputed and very modest incremental advances have often been presented, discussed and promoted as major advances or "breakthroughs". Recognizing the importance of presenting clear and unbiased statements regarding the magnitude of the clinical benefit from new therapeutic approaches derived from high quality clinical trials, the European Society for Medical Oncology (ESMO) has developed a validated and reproducible tool to assess the magnitude of clinical benefit for cancer medicines, the ESMO Magnitude of Clinical Benefit Scale (ESMO-MCBS). This tool uses a rational, structured and consistent approach to derive a relative ranking of the magnitude of clinically meaningful benefit that can be expected from a new anti-cancer treatment. The ESMO-MCBS will be a dynamic tool and its criteria will be revised on a regular basis. Currently, it is only applicable for solid tumors.
Key words: Clinical benefit, anti-tumor therapy, clinical trials, ESMO-MCBS, ESMO
EU(7)-PIM – eine europäische Screening-Liste zur Identifizierung potenziell unangemessener …
Mit der Beers- und PRISCUS-Liste, den STOPP/START-Kriterien und der FORTA-Klassifikation stehen seit mehreren Jahren verschiedene Klassifikationssysteme zur Verfügung, mit denen der Einsatz einer unangemessenen Medikation im Alter evidenzbasiert verhindert werden soll. Im Rahmen einer Europäischen Harmonisierung wurde darüber hinaus vor wenigen Monaten die EU(7)-PIM-Liste veröffentlicht, die von Experten aus sieben europäischen Ländern erstellt wurde, ein zweirundiges Delphi-Verfahren durchlief und wichtige Hinweise für die tägliche Praxis bietet. Allerdings muss auch die EU(7)-PIM-Liste kontinuierlich überarbeitet werden, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Schlüsselwörter: EU(7)-PIM, Beers-Liste, PRISCUS-Liste STOPP/START-Kriterien, FORTA-Klassifikation, Praktikabilität
Krankenhauspharmazie 2016;37:537–46.
English abstract
EU(7)-PIM – an European screening tool to identify potentially inadequate medication for older patients
For many years various categorizing tools like Beers, PRISCUS, STOPP, START and FORTA have been addressing the evidence-based aim that potentially inappropriate medication (PIM) should not be prescribed for older people whenever possible. Based on a more intensified European harmonization process, meanwhile the EU(7)-PIM tool has been elaborated by experts from seven European countries including a two-round Delphi survey. The EU(7)-PIM list represents an useful guide for everyday clinical practice, however, continuous revision is obligatory to fulfill ongoing challenges.
Key words: Beers list, PRISCUS, STOPP/START, FORTA
Welcher Compounder kommt für unsere Krankenhausapotheke infrage?
Eigenschaften von Geräten und Software zur Herstellung parenteraler Ernährung
Um die Qualitätsanforderungen bei der Herstellung parenteraler Ernährung zu erfüllen, ist die Automatisierung kritischer Prozessschritte geeignet. Bei der Entscheidungsfindung, welche Software für das Verordnen oder welche elektronisch gesteuerten Geräte (Compounder) für die Herstellung implementiert werden sollen, müssen zunächst die individuelle Bedürfnisse und Gegebenheiten in der Krankenhausapotheke identifiziert werden. Unterschiedliche Software- und Compounder-Angebote erlauben eine optimal angepasste Lösung für verschiedene Bedürfnisse. In diesem Artikel werden die in Deutschland erhältlichen Softwareprodukte und Compounder vorgestellt und verglichen. Eine enthaltene Fragenliste kann für eine Bedarfsanalyse und die Identifizierung der bestmöglichen Lösung genutzt werden.
Schlüsselwörter: Compounder, Verordnungssoftware, parenterale Ernährung, aseptische Herstellung
Zu diesem Artikel existiert ein Korrekturhinweis
Krankenhauspharmazie 2016;37:547–54.
English abstract
Which automated compounding device should be considered for our hospital pharmacy?
Critical steps in the aseptic preparation of parenteral nutrition should be automated in order to meet current standards. Before making the decision to implement a specific software program for prescribing or an automated compounding device (ACD) for manufacturing, the needs and conditions of the manufacturing hospital pharmacy have to be identified. Various software and compounder solutions are to be evaluated in order to find a product that is best for each individual situation. This article introduces the various products that are available in Germany and compares the features. A list of questions is provided to assess the needs of a hospital pharmacy department and identify the best possible solution.
Key words: Automated compounding device, prescribing software, parenteral nutrition, aseptic preparation.
CSE-Hemmer – „Fire and forget“?
Akutes Nierenversagen durch Rhabdomyolyse nach Statin-Exposition
Ein 72-jähriger Patient erhält Amlodipin und Simvastatin und entwickelt daraufhin eine Rhabdomyolyse, die zum akuten Nierenversagen führt.
Krankenhauspharmazie 2016;37:555–6.
Polypharmazie überblicken, Interaktionen und Nebenwirkungen vermeiden
Arzneimittelmanagement bei geriatrischen Patienten
Polypharmazie ist bei multimorbiden geriatrischen Patienten keine Ausnahme. Und unter den verordneten Arzneimitteln sind oftmals für ältere Patienten potenziell inadäquate Medikamente. Das wurde auf dem Gerontologie- und Geriatriekongress in Stuttgart einmal mehr bestätigt. In einem Symposium wurde diskutiert, wie Negativlisten wie die Beers- und die PRISCUS-Liste, Positiv-Negativ-Listen wie FORTA, aber auch elektronische Arzneimittelinformationssysteme helfen können, Interaktionen und iatrogene Schadeffekte zu vermeiden.
Geriatrie in Großbritannien führend in der Akuttherapie älterer Menschen?
In allen Industrienationen nimmt der Anteil älterer Menschen zu. Ihre medizinische Versorgung gewinnt an Bedeutung, hat jedoch international noch einen sehr unterschiedlichen Stand und Organisationsgrad. In Großbritannien ist die Geriatrie bereits seit 30 bis 40 Jahren fester Bestandteil des medizinischen Angebots in allen Krankenhäusern. Bis dahin war es ein langer Weg, und es ist noch viel zu tun – auch hierzulande.
Demenzsyndrom lässt sich manchmal stoppen, aber nur selten umkehren
Kognitive Störungen sind keineswegs immer tatsächlich auf eine Demenz zurückzuführen. So finden sich bei etwa 5% der Patienten mit kognitiven Störungen bei gezielter Suche in der Bildgebung nicht-degenerative und nicht-vaskuläre Ursachen, beispielsweise ein Normaldruckhydrocephalus. Dazu kommen weitere potenziell behandelbare Ursachen kognitiver Störungen wie depressive Episoden, Hypothyreose und andere Schilddrüsenerkrankungen, Arzneimittel- oder Schwermetallintoxikation, Alkoholabusus und Vitaminmangel.
Der Patient im Fokus
Bericht zum 6. LAUD-Doktoranden- und Forschungstreffen in München
14 Doktorandinnen und Doktoranden stellten beim LAUD-Doktoranden- und Forschungstreffen im November ihre Forschungsprojekte vor. Neben zahlreichen Arbeiten aus dem Bereich der Geriatrie und Palliativmedizin fanden sich unter anderem auch Projekte zu pädiatrischen und onkologischen Patienten, zur Herstellung oder zum bundeseinheitlichen Medikationsplan.
Krankenhauspharmazie 2016;37:564–5.
Kurzvorträge der 6. LAUD-Forschungs- und Doktorandentagung
Abstracts der Kurzvorträge der Tagung am 11. und 12. November 2016 in München
Weitere Informationen zu der Veranstaltung finden Sie auf Seite 564 in dieser Ausgabe der Krankenhauspharmazie. Die Abstracts der Kurzvorträge sind alphabetisch nach Autorennamen (Erstautor) sortiert.
Medikationsfehler
Sound-alikes auf Rezept
Sound-alikes sind in der Arzneimitteltherapie ein sehr ernst zu nehmendes Problem. Immer wieder kommt es zu Verwechslungen von Arzneimitteln mit ähnlich klingenden Namen. Fatal ist, dass es in einigen Fällen absolut nicht ersichtlich ist, dass man es mit einem Sound-alike zu tun hat.
Koronararterien-Bypass-Operation
Acetylsalicylsäure absetzen oder nicht?
Bei Patienten, die sich einer Koronararterien-Bypass-Operation unterzogen, verringerte die perioperative Gabe von Acetylsalicylsäure im Vergleich zu Placebo weder das Risiko für thromboembolische Komplikationen oder Tod noch erhöhte sie das Blutungsrisiko.
Plötzlicher Herztod bei Kindern und jungen Erwachsenen
Genetische Tests finden Ursache
Eine prospektive bevölkerungsbezogene Studie an 490 Personen im Alter von einem bis zu 35 Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass genetische Tests sowie ein Screening der Familienangehörigen hilfreich sind, die Ursache eines plötzlichen Herztods zu finden. Zusätzlich durchgeführt, übertreffen die Untersuchungen in ihrer Aussagekraft eine alleinige Autopsie.
Methylphenidat und kardiovaskuläre Risiken
Besondere Vorsicht geboten bei Kindern mit kongenitalen Herzfehlern
In einer südkoreanischen Studie wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Methylphenidat und kardiovaskulären Ereignissen bei jungen Patienten mit ADHS gibt. Dabei wurde das Design einer selbstkontrollierten Fallserienanalyse gewählt, weil es im Vergleich zu Kohorten-Studien eher geeignet sei, Fehlerquellen auszuschließen. Gefunden wurde ein spürbarer Anstieg von Arrhythmien während der Medikationsexposition, insbesondere wenn die Patienten unter kongenitalen Herzfehlern litten. Für Myokardinfarkte, Hypertonie, ischämischen Insult und Herzinsuffizienz wurde kein signifikanter Anstieg eruiert.
Postoperativer Opioid-Gebrauch
Wie hoch ist das Risiko für eine chronischen Einnahme?
Einer retrospektiven Studie zufolge erhöhen einige chirurgische Eingriffe das Risiko für einen späteren chronischen Opioid-Gebrauch. Dieses Risiko hängt von der Art der Operation und individuellen Patientenmerkmalen ab.
Kardiovaskuläre Ereignisse
Blutdrucksenkung zur Prävention kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität
Eine Metaanalyse der wichtigsten großen Blutdrucksenkungsstudien zeigt: Die kontinuierliche Senkung um jeweils 10 mmHg reduziert das Risiko von kardiovaskulären Ereignissen, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und der Gesamtmortalität – und zwar weitgehend unabhängig vom Ausgangsblutdruck und Begleiterkrankungen. Dabei scheint ein Zielblutdruck von 130 mmHg systolisch als Grenzwert akzeptabel.
Sepsis
Sepsisdiagnostik mit Biomarkern – besser für den Patienten?
Die hohe Letalität der Sepsis ist unter anderem auf ihre verzögerte Diagnose zurückzuführen. Einerseits ist die Pathophysiologie der Sepsis sehr komplex, andererseits sind ihre Frühzeichen recht unspezifisch. Eine professionelle Bewertung geeigneter Biomarker könnte einen frühzeitigen Therapiebeginn bewirken, der Prognose und Erfolg entscheidend mitbestimmen kann. Erst die klinische Erfahrung des Behandlungsteams kann den Nutzen der Biomarker-Werte für das Patient-Outcome voll zum Tragen kommen lassen.
Chronische myeloische Leukämie
Therapiestopp möglich – unter bestimmten Voraussetzungen
Bei Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie und tiefem molekularem Ansprechen auf Tyrosinkinaseinhibitoren kann die Therapie bei sorgfältiger Überwachung gestoppt werden. Die molekulare Remission hält besser an, je länger die Patienten zuvor behandelt wurden und je länger sie in tiefer Remission waren. Dies zeigten die Ergebnisse der EURO-SKI-Studie (Europe Stop Tyrosine Kinase Inhibitors), die auf dem 21. Jahreskongress der European Hematology Association (EHA) am 10. Juni 2016 in Kopenhagen vorgestellt wurden.
Ausbildungsprojektpreis der ADKA
Mit den Ausbildungsprojektpreisen „Diplom“ und „PJ-Projekt“ des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. sollen herausragende Projekt- und Diplomarbeiten ausgezeichnet werden. 2017 werden die beiden Preise bereits zum sechsten Mal verliehen. Als Preis erhält der Ersteller der Arbeit einen Büchergutschein im Wert von 100 Euro sowie die Teilnahme am ADKA-Kongress 2017 in Würzburg. Ersteller und Betreuer werden zusätzlich mit Urkunden ausgezeichnet.
Promotionspreis für Krankenhauspharmazie
Gestiftet von der Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG
Zum sechsten Mal verleiht die ADKA den Promotionspreis für Krankenhauspharmazie. Takeda stiftet diesen Preis im Rahmen ihrer Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.