Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Heidelberg
Neulich auf einem wirklich sehr gutem Kongress zu Innovationen im Gesundheitswesen, ausgerichtet von den Universitätskliniken und Medizinischen Fakultäten: Eine Session widmet sich dem Ansatz der interprofessionellen Zusammenarbeit im Krankenhaus. Auch ein Vortragender aus dem Ausland (hier: die Niederlande) ist dabei. Als Krankenhausapotheker denkt man: Endlich, ein wichtiges Thema, endlich einmal vor größerem Publikum präsentiert, direkt nach einer Grußrede des Bundesgesundheitsministers prominent dargeboten. Schließlich ja auch ein Thema, das auf der Arbeitsebene gerade mit unserer Profession, den Krankenhausapothekern, vielfach schon Alltagsgeschäft zu sein scheint. Hier soll es nun also um interprofessionelle Ausbildung an Universitäten und die interprofessionelle Zusammenarbeit in Krankenhäusern gehen. Sofort fallen einem Beispiele ein: Gemeinsame Vorlesungen für angehende Ärzte und Apotheker, beispielsweise im Feld der Arzneimitteltherapiesicherheit, gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte und Apotheker, das interprofessionelle Curriculum bei der Ausbildung zum ABS-Experten, ferner natürlich die bestehenden Projekte im Rahmen der Stationsapothekertätigkeiten. Da wir auch wissen, dass es durchaus bei der offiziellen, also auch einer größeren Öffentlichkeit und (Berufs-)Politik transparent darzustellenden Position noch Nachholbedarf gibt, hört man sich also gespannt die Ausführungen der Referenten an, lernbegierig sozusagen.
Doch wie groß ist dann die Enttäuschung: Es geht – mal wieder – nur um die Zusammenarbeit zwischen zwei Berufsgruppen, nämlich die der Ärzte und der Pflege als einzigem nicht-ärztlichen Gesundheitsberuf. Man reibt sich verwundert die Augen und denkt daran, dass man ohne Probleme weitere nicht-ärztliche Gesundheitsberufe nennen könnte, darunter auch unsere Profession. Nun mag die Enttäuschung auf einem Missverständnis beruhen. Natürlich bedeutet die Vorsilbe „inter“ wirklich nur „zwischen“. Als nicht-humanistisch ausgebildet hatte der Autor erhofft, es gehe bei interprofessionell eher um multiprofessionell. Leider nein, und so kommt es wie so oft: Es geht um die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wozu die Pflege akademisiert werden müsse. Die Berufsgruppen im (Universitäts-)Klinikum, die sich aufgrund ihrer Ausbildung schon auf Augenhöhe befinden – neben den Pharmazeuten ja auch die anderen Naturwissenschaftler wie Biologen, Physiker, Chemiker – werden schlichtweg vergessen. Dies mag aus Sicht der Ärzteschaft unterschwellig gewünscht sein, da hier von manchem berufspolitisch aktiven ärztlichen Kollegen ja durchaus, vor allem bei den Krankenhausapothekern, eine Konkurrenzsituation befürchtet wird. Es kann doch aber nicht sein, dass man bei der Akademisierung der Pflege scheinbar darauf abzielt, einen Ausbildungsgrad zu erreichen, der z.B. bei der Arzneimitteltherapie ermöglichen soll, Arbeiten außerhalb der ärztlichen Diagnosestellung und Festlegung der Arzneimitteltherapie lieber der Pflege zu übergeben als den Krankenhausapothekern, die in diesem Bereich sicherlich – durch ihre universitäre Ausbildung bedingt – die Spezialisten sind.
Es ist – auch wenn dies ein ganz anderes Thema ist – dabei absolut einsehbar, dass der Pflegeberuf aufgewertet werden muss; ansonsten werden wir sicherlich in einen Pflegenotstand hineinlaufen. Es darf aber diese Aufwertung nicht zulasten der pflegerischen Tätigkeiten, aus Patientenperspektive gesehen, gehen und es darf auch nicht zulasten der Profession Krankenhausapotheker gehen. Genauso wenig wie „Ärzte light“ im Krankenhaus zu akzeptieren sind, sind „Apotheker light“ die Lösung für eine kosteneffiziente Therapie der Patienten. Zum Glück konnten wir in den letzten Jahren in den Krankenhäusern deutlich machen, wie sinnvoll und effektiv der Einsatz der Krankenhausapotheker auf Station im Hinblick auf die Verbesserung der AMTS, hier auch durch Arzneimittelanamnese und Medication Reconciliation, ist. Der Hamburger Closed-Loop-Medication-Management-Prozess und das Dresdener System mit der Verknüpfung von Unit-Dose-Versorgung und Apothekern auf Station, um nur zwei Leuchttürme zu nennen, zeigen, wie der Krankenhausapotheker den Prozess der Arzneimittelversorgung und -therapie effektiv und effizient begleiten, ja steuern kann.
Wir haben allerdings in Deutschland leider eine Situation, die sich von den meisten Ländern weltweit unterscheidet: Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir in Deutschland im Krankenhaus kaum einen Ärztemangel, aber einen gewollten Apothekermangel. Dies macht unsere Situation problematisch, unsere Forderung „ein Krankenhausapotheker auf 100 Krankenhausbetten (beziehungsweise Patienten)“ kann hier eine Verbesserung bedeuten. Es ist positiv zu beobachten, dass die Innovativen unter den deutschen Krankenhäusern erkannt haben, dass Krankenhausapotheker, vor allem Apotheker auf Station, einen Mehrwert haben und deshalb in den letzten Jahren hier doch einige neue Stellen geschaffen wurden.
Wir müssen das, was interprofessionelle Zusammenarbeit eigentlich meint, nämlich multiprofessionelle Zusammenarbeit, wieder auf die Tagesordnung nehmen und aktiv einfordern. Dabei meint einfordern auch die multiprofessionelle Darstellung dieser Zusammenarbeit nach außen, auch von denen, die Berufspolitiker in den entsprechenden Verbänden der einzelnen Professionen sind.
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