G-BA-Beschluss

Tofersen bei amyotropher Lateralsklerose


Tabea Krause, Stuttgart

Ende April 2024 erfolgte die Zulassung für Tofersen, ein Antisense-Oligonukleotid zur Therapie der amyotrophen Lateralsklerose. Der Zusatznutzen gilt bei Orphan-Drugs durch die Zulassung als belegt. Die Aussagekraft der Studienergebnisse stuft der Gemeinsame Bundesausschuss als Anhaltspunkt ein.

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine häufig rasch progrediente neurodegenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Derzeit gibt es keine kausalen Therapien. Durchschnittlich versterben die Patienten zwei bis vier Jahre nach Diagnosestellung [2]. Tofersen ist ein Antisense-Oligonukleotid, das komplementär zur mRNA des humanen Superoxid-Dismutase-1(SOD1)-Gens ist. Der Wirkungsmechanismus beruht auf der Hybridisierung mit der mRNA. Dadurch kommt es zum RNase-H-vermittelten Abbau der mRNA, was die SOD1-Proteinsynthese vermindert. Bei Patienten mit SOD1-ALS führen Mutationen des SOD1-Gens zur Anreicherung einer toxischen Form des Proteins SOD1, wodurch es zur Schädigung von Axonen und letztlich zur Neurodegeneration kommt [1].

Wie lautet die Zulassung?

Tofersen ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit amyotropher Lateralsklerose und Mutation im Superoxid-Dismutase-1-Gen.

Wie lautet der Beschluss des G-BA?

Der G-BA beschloss für Tofersen einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine Quantifizierung nicht zulässt.

Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?

Für Orphan-Drugs müssen Nachweise zum medizinischen (Zusatz-)Nutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht vorgelegt werden.

Wie ist die Studienlage?

Für die Nutzenbewertung legte der pharmazeutische Unternehmer die Studiendaten der doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie VALOR sowie deren Open-Label-Extensionsstudie (OLE) 233AS102 vor. In der Phase-III-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von Tofersen im Vergleich zu Placebo über einen Zeitraum von 28 Wochen untersucht. In der angeschlossenen OLE erhielten alle Patienten eine Tofersen-Therapie. Zur Nutzenbewertung wurden die Interim-Datenschnitte von Januar 2022 und Februar 2023 vorgelegt.

Eingeschlossen wurden Patienten ≥ 18 Jahren mit ALS und bestätigter SOD1-Mutation. Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die motorische Funktionsfähigkeit, die Zeit bis zum Tod oder zur dauerhaften Beatmung, Fatigue, der allgemeiner Gesundheitszustand, Aktivitäten des täglichen Lebens, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie Nebenwirkungen.

Bis auf einen Endpunkt zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Tofersen und Placebo.

Für die Verbesserung der bulbären Symptome zeigte sich ein statistisch signifikanter Nachteil von Tofersen gegenüber Placebo, hinsichtlich einer Verschlechterung aber nicht.

Der G-BA bewertet den nachteiligen Effekt im vorliegenden Anwendungsgebiet als nicht relevant für die Zusatznutzenbewertung.

Warum hat der G-BA so entschieden?

Hinsichtlich Mortalität, Morbidität und Nebenwirkungsprofil ergaben sich für die Nutzenbewertung keine relevanten Unterschiede zwischen Verum- und Placebo-Kohorte. Der G-BA schätzt das Verzerrungspotenzial der Studie aufgrund einer möglichen Ungleichverteilung von Baseline-Charakteristika, fehlenden Angaben zu Protokollverletzungen sowie Limitationen in Bezug auf die Stratifizierung nach ALSFRS-R- und SOD1-Genstatus-basierten Kriterien als unklar ein.

Kosten

Die Jahrestherapiekosten für einen Patienten betragen nach Angaben des G-BA und nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte 354 646,24 Euro (Stand Lauer-Taxe: 12/24).

Quellen

Gemeinsamer Bundesausschuss. Beschluss. Tofersen (Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)) vom 19.12.2024.

Gemeinsamer Bundesausschuss. Tragende Gründe zum Beschluss. Tofersen (Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)) vom 19.12.2024.

Literatur

1. Fachinformation. Qalsody™ 100 mg Injektionslösung. Stand Juli 2024.

2. Neubeck M. Tofersen – Antisense-Oligonukleotid bei Amyotropher Lateralsklerose mit SOD1-Genmutation. Arzneimitteltherapie 2024;42:229–32.

Krankenhauspharmazie 2025; 46(02):95-95