Annika Harsch, Stuttgart
Im Herbst 2022 erhielt der monoklonale Antikörper Nirsevimab die Zulassung als passive Immunisierung zur Prävention schwerer RSV(respiratorisches Synzytial-Virus)-Infektionen bei Kindern. Neben Nirsevimab ist bei pädiatrischen Patienten lediglich Palivizumab zur Prophylaxe RSV-bedingter Erkrankungen zugelassen.
Wie lautet die Zulassung?
Nirsevimab ist indiziert zur Prävention von RSV-bedingten Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern während ihrer ersten RSV-Saison.
Wie lautet der Beschluss des G-BA?
Der aktuelle Beschluss bezieht sich auf das Anwendungsgebiet Prävention von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern mit Indikation zur Sekundärprophylaxe während ihrer ersten RSV-Saison.
Der G-BA unterscheidet in seinem Beschluss zwei Patientengruppen:
- Kinder, bei denen Palivizumab angezeigt ist (Gruppe a)
- Kinder, bei denen Palivizumab nicht angezeigt ist (Gruppe b)
Für beide Gruppen kommt der G-BA zum Entschluss: Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?
Als zweckmäßige Vergleichstherapien galten Palivizumab (Gruppe a) bzw. beobachtendes Abwarten (Gruppe b).
Wie ist die Studienlage?
Gruppe a
Für den Beschluss der Patientengruppe a wurden Ergebnisse der doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studie MEDLEY herangezogen, in der Palivizumab mit Nirsevimab bei Neugeborenen in ihrem ersten Lebensjahr und in ihrer ersten RSV-Saison verglichen wurden.
Eingeschlossen wurde eine Frühgeborenenkohorte (n = 615) und eine Gruppe mit Kindern, die an einer bronchopulmonalen Dysplasie oder einem hämodynamisch relevanten angeborenen Herzfehler litten (n = 310). In den Interventionsarm wurden 616 Kinder, in den Vergleichsarm 309 Kinder randomisiert. Die Dosierung der beiden Arzneimittel erfolgte gemäß Fachinformation. Die Nachbeobachtungszeit betrug 360 Tage nach der ersten Immunisierungdosis.
Für die klinischen Endpunktkategorien Mortalität, Morbidität und Nebenwirkungen konnten keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede festgestellt werden. Für die Endpunktkategorie gesundheitsbezogene Lebensqualität lagen keine Daten vor.
Gruppe b
Für die Nutzenbewertung der Gruppe b wurden Daten der beiden Studien D5290C00 003 und HARMONIE vorgelegt. Die Studiendaten wurden vom G-BA aufgrund der vom Anwendungsgebiet abweichenden Patientenpopulationen als nicht bewertbar eingeordnet.
Warum hat der G-BA so entschieden?
Für die Endpunktkategorien Mortalität, Morbidität und Nebenwirkungen konnte anhand der vorgelegten Studiendaten kein statistisch signifikanter Unterschied für die Patientengruppe a festgestellt werden, weshalb ein Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie Palivizumab nicht belegt ist. Für die Patientengruppe b mangelte es an bewertbaren Studiendaten, weshalb auch hier der Zusatznutzen als nicht belegt gilt.
Kosten
Während Nirsevimab einmal pro RSV-Saison appliziert wird, liegt das Dosierungsintervall von Palivizumab bei einmal monatlich in der RSV-Saison und damit bei fünf Behandlungen (angenommene Dauer einer RSV-Saison) pro Patient und Jahr.
Nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte liegen die Jahrestherapiekosten von Nirsevimab (Einmalgabe) daher bei 427 Euro pro Patient. Für die zweckmäßige Vergleichstherapie Palivizumab liegen die Kosten pro Patient zwischen 5 560 und 13 335 Euro (Stand Lauer-Taxe: 15.07.2024). Die Jahrestherapiekosten für die Vergleichstherapie beobachtendes Abwarten ordnet der G-BA als nicht bezifferbar ein.
Quellen
Gemeinsamer Bundesausschuss. Beschluss. Nirsevimab (Sekundärprophylaxe von RSV-Infektionen, Kinder während ihrer 1. RSV-Saison) vom 15.08.2024.
Gemeinsamer Bundesausschuss. Tragende Gründe zum Beschluss. Nirsevimab (Sekundärprophylaxe von RSV-Infektionen, Kinder während ihrer 1. RSV-Saison) vom 15.08.2024.
Krankenhauspharmazie 2024; 45(10):453-453