Krankenhauspharmazie 2025 in Deutschland und Europa


Irene Krämer

Foto: Peter Pulkowski, Universitätsmedizin Mainz

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

schaut man sich aktuell die Inhalte der Krankenhauspharmazie in Deutschland an, so befinden wir uns im europäischen Vergleich in der Gruppe der Krankenhausapotheken, die die traditionelle Krankenhauspharmazie mit der modernen klinischen Pharmazie verbindet. Das ist eine zukunftsträchtige Mischung! So weit sind viele Krankenhausapotheken in (Süd)Osteuropa noch nicht. Die Krankenhausapotheken in Großbritannien und Spanien haben sich mehr der klinisch-pharmakologischen Pharmazie verschrieben. Die patientenbezogenen applikationsfertigen Zubereitungen und Rezepturen werden dort vielfach in kommerziellen Compounding Centern hergestellt. Unter anderem in der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich gehört die Herstellung von Arzneimitteln immer noch und sogar wieder zunehmend zu den Schwerpunkten der Krankenhausapotheke.

Entsprechend der europäischen Resolution CM/Res 2016 sollen kritische Arzneimittel applikationsfertig durch pharmazeutisches Personal unter kontrollierten Bedingungen und entsprechend der Good Pharmacy Practice in der Apotheke zubereitet werden. Durch pharmazeutisch-technologische Expertise kann die Arzneimitteltherapiesicherheit nachgewiesenermaßen wesentlich verbessert werden. Vorteilhaft ist, wenn die Parenteralia-Zubereitungen in Standardkonzentrationen appliziert werden, sodass die Herstellung in Serie oder Chargen auf Vorrat in der Apotheke erfolgen kann. Dann können die Qualitätskontrollen und Freigaben vor der Anwendung erfolgen und Versorgungslücken werden vermieden.

Herstellung und Einsatz der Eigenherstellungen im regionalen Verbund von Krankenhäusern kann die Vorhaltekosten reduzieren und die Effizienz der Eigenherstellung steigern. In den Niederlanden und Dänemark ist das bereits etabliert. Zudem würden für die Eigenherstellung ausgestattete Krankenhausapotheken auch einen wesentlichen Beitrag zur Kompensation von Lieferengpässen und Lieferabrissen von industriell hergestellten Fertigarzneimitteln leisten. In der Universitätsmedizin Mainz waren 20 % aller Eigenherstellungen im Jahr 2023 wegen Lieferausfällen der Industrie erforderlich. Ein gravierendes Beispiel waren Antibiotikasäfte für Kinder. Vorausschauend könnten entsprechend ausgestattete Krankenhausapotheken zusammen mit den Bundeswehrapotheken auch für die gesicherte Versorgung im Krisenfall, z. B. einer nächsten Pandemie geplant werden. Man denke nur an die Herstellung von Händedesinfektionsmitteln und Midazolam-Injektionen in der letzten Pandemie.

Auch die Unit-Dose-Versorgung mit Arzneimitteln stellt eine rezepturmäßige Arzneimittelherstellung dar und dazu ist pharmazeutisch-technologische Expertise erforderlich. Vor der Herstellung bedarf es der Plausibilitätskontrolle der Verordnung und nach der Herstellung der Qualitätskontrolle. Die Unit-Dose- und Single-Dose-Versorgung muss alle Arzneimittel des Patienten umfassen und die Anwendung am Patienten so sicher wie möglich machen.

Wer den letzten EAHP-Kongress in Bordeaux besucht hat, konnte in der Industrieausstellung feststellen, dass die Aussteller überwiegend Geräte und Software zur Herstellung und Logistik präsentierten und die Pharmafirmen als Aussteller in der Minderheit waren. Diesen Trend konnte man auch auf dem ADKA-Kongress 2024 wahrnehmen und er hängt ursächlich mit der zunehmenden Zubereitung von applikationsfertigen Parenteralia und der Unit-Dose-Versorgung aus der Krankenhausapotheke in Deutschland sowie anderen europäischen Ländern zusammen. Neue Technologien wie 3D-Druck von Oralia und Implantaten sowie die (voll)automatisierte Herstellung von applikationsfertigen Parenteralia ermöglichen eine effizientere Herstellung.

Die in Entwicklung befindlichen europäischen Leitlinien der Good Pharmacy Practice zu 3D-Druck und automatisierter Herstellung von Parenteralia sind für alle Krankenhausapotheken in Europa wichtig, denn in allen Ländern gibt es Diskussionen mit den Aufsichtsbehörden, inwieweit der EU-GMP-Guide in der Herstellung in der Krankenhausapotheke anzuwenden ist. Eine gemeinsame, rationale Nutzen-Risiko-Abwägung der Maßnahmen, die auch den Aspekt Nachhaltigkeit berücksichtigt, wird uns hoffentlich zu guten europaweiten Regelungen führen. Der Umgang mit patientenindividuellen Advanced Therapy Medicinal Products (ATMP) wie beispielsweise CAR-T-Zellen oder Gentherapien stellt besonders hohe Anforderungen an die pharmazeutisch-technologischen Kenntnisse. Gerade bei den ATMP wird es rasante Weiterentwicklungen geben, die an der Krankenhausapotheke nicht vorbeigehen dürfen. In Frankreich gibt es sogar eine Weiterbildung für pharmazeutische Technologie in der Krankenhauspharmazie. Daran sollten wir uns orientieren und die fachgerechte Arzneimittelherstellung muss in allen Ländern Europas eine originäre Aufgabe der Krankenhausapotheken sein und die Anwendung von neuen Arzneimitteln und neuen Arzneiformen unterstützen. Dies gilt auch für klinische Prüfmuster.

Als Professorin für Klinische Pharmazie und praktizierende klinische Pharmazeutin liegt mir selbstverständlich die Arzneimitteltherapiesicherheit und Patientensicherheit am Herzen. Viele unserer Doktorarbeiten haben gezeigt, dass mit pharmazeutischer Betreuung ein Nutzen für die Patienten erzielt wird. Bessere Compliance bei der Arzneimittelanwendung verbessert die Effektivität und Sicherheit der Arzneimitteltherapie und die Zeit ist für Medikationsanalysen und die pharmazeutische Beratung von Ärzten, Pflege und Patienten gut investiert. Der Fördertatbestand 5 im Krankenhauszukunftsgesetz hat der Digitalisierung der Arzneimitteltherapie, z. B. durch digitale Arzneimittelverordnungssysteme mit Entscheidungsunterstützung oder elektronische BtM-Schränke, einen großen Schub gegeben. Die Etablierung und Pflege der Systeme sowie das Monitoring der patientenindividuellen Verordnungen bedarf dahingehend ausgebildeter klinischer Pharmazeuten. Auch hier liegt ein Sicherheits- und Effizienzgewinn in der Entwicklung von Verordnungsstandards, Behandlungsalgorithmen und KI-gestützten Optimierungen durch Zeitreihen- und Ursachenanalysen. Die Komplexität wird zunehmen, denn weniger komplexe Leistungen werden ambulant erbracht werden (müssen). In der Antitumortherapie ist das bereits heute der Fall. In Krankenhäusern der Maximalversorgung werden schon länger nur noch komplexe hämato-onkologische Therapien stationär erbracht. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern dürfen deutsche Krankenhausapotheken die sogenannten outpatients nur sehr begrenzt betreuen. Es wäre zum Beispiel sinnvoll, dass die Krankenhausapotheker auch pharmazeutische Dienstleistungen vor der Entlassung oder in der Ambulanz (z. B. erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten) erbringen und abrechnen dürfen. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern gibt es in deutschen Krankenhäusern keine „Outpatient-Krankenhausapotheke“. Dabei wäre sie für die dringende Versorgung von Medikation für seltene Erkrankungen und rezepturmäßig hergestellte Arzneimittel bei Entlassung aus stationärer oder ambulanter Behandlung wichtig. Die Outpatient-Krankenhausapotheke könnte eine lückenlose und sichere Versorgung und pharmazeutische Betreuung gewährleisten und (wie in den Niederlanden) die Patienten in die niedergelassene Apotheke überleiten.

In einem eintägigen Symposium zur Zukunft der klinischen Forschung an der Universitätsmedizin Mainz, in dem auch die Krankenhausapotheke ihre Innovationen präsentierte, wurde die Apotheke mit dem Ausspruch „unsere Apotheke macht alles möglich“ belobigt. Ich hätte gerne hinzugefügt: „Wenn man sie lässt“. Nach der Veranstaltung war ich so inspiriert, dass ich gerne ein zweites Leben hätte, um all diese Entwicklungen mitzuerleben und mitzugestalten.

Irene Krämer

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