G-BA-Beschluss

Patisiran bei hereditärer Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (Stadium 1 oder 2)


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Patisiran ist ein Orphan-Drug, für die der Zusatznutzen zunächst durch die Zulassung als belegt gilt. Nach Überschreitung der 30-Mio.-Euro-Grenze hat der G-BA nun eine vollständige Nutzenbewertung durchgeführt.

Wie lautet die Zulassung?

Patisiran (Onpattro, Alnylam) wird zur Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose (hATTRAmyloidose) bei erwachsenen Patienten mit Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2 angewendet.

Wie lautet der Beschluss des G-BA?

Der G-BA sieht einen Hinweis auf einen geringeren Nutzen als die Vergleichstherapie.

Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?

Als Vergleichstherapie legte der G-BA Tafamidis (nur Stadium 1) oder Vutrisiran fest. Im vorliegenden Anwendungsgebiet ist außerdem noch Inotersen zugelassen. Letzteres wurde jedoch aufgrund seines Wirksamkeits- und Sicherheitsprofils nicht als Teil der zweckmäßigen Vergleichstherapie gesehen.

Wie ist die Studienlage?

Insgesamt ist die Evidenzlage im zugelassenen Anwendungsgebiet limitiert. Für Inotersen wurde im Rahmen einer Orphan-Drug-Nutzenbewertung ein nichtquantifizierbarer Zusatznutzen (Inotersen vs. Placebo) bestimmt. Für Tafamidis konnte in Ermangelung direkt vergleichender Daten gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie kein Zusatznutzen festgestellt werden.

In der offenen, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie HELIOS-A wurde Patisiran mit Vutrisiran verglichen. Eingeschlossen waren 164 erwachsene Patienten mit hATTR-Amyloidose. Sie erhielten 3 : 1 randomisiert Vutrisiran (alle 3 Monate s. c.; n = 122) oder Patisiran (alle 3 Wochen i. v.; n = 42). Begleitmedikation war erlaubt. Primärer Endpunkt war die Veränderung des modified Neurologic Impairment Score +7 (mNIS+7). An die 18-monatige direktvergleichende Behandlungsphase schloss sich eine 42-monatige Extensions- sowie eine einjährige Beobachtungsphase an.

  • Mortalität: Es zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (relatives Risiko [RR] 4,36; p = 0,078).
  • Morbidität: Im Norfolk QoL-DN-Score, der mittleren Ganggeschwindigkeit, dem Gesundheitszustand, Hospitalisierungen aufgrund jeglicher Ursache, der polyneuropathischen Symptomatik oder Einschränkungen bezüglich Alltagsaktivitäten ergaben sich keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede.
  • Gesundheitsbezogene Lebensqualität: In HELIOS-A wurde kein für die Bestimmung der Lebensqualität geeigneter Endpunkt erhoben.
  • Nebenwirkungen: In der Gesamtrate der schweren unerwünschten Ereignissen (SUE) zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zum Nachteil von Patisiran. Die Abbruchrate aufgrund von UE unterschied sich nicht statistisch signifikant zwischen den Behandlungsgruppen. Dafür gab es bei spezifischen UE, darunter Herzinsuffizienz oder allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort, ein statistisch signifikanter Unterschied zum Nachteil von Patisiran.

Warum hat der G-BA so entschieden?

Insgesamt ergaben sich negative Effekte für Patisiran, denen keine positiven Effekte gegenüberstehen.

Das Verzerrungspotenzial auf Studienebene wird als niedrig eingestuft. Durch das offene Studiendesign ergeben sich Einschränkungen im endpunktspezifischen Verzerrungspotenzial. Der festgestellte Nutzen leitet sich jedoch v. a. aus den Nebenwirkungen ab. Deren Ergebnisse weisen überwiegend eine hohe Aussagekraft auf, sodass der G-BA die Aussagesicherheit trotz der Limitation als „Hinweis“ einstufte.

Der G-BA weist darauf hin, dass dieses Bewertungsergebnis nicht den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels wiederspreche. Die Zulassung beruht auf der Placebo-kontrollierten APOLLO-Studie, die im Nutzenbewertungsverfahren nicht betrachtet wurde. Der G-BA betont zudem, dass die Verordnung von Patisiran durch den Beschluss allein weder eingeschränkt noch ausgeschlossen ist.

Quellen

G-BA. Beschluss. Patisiran (Neubewertung eines Orphan Drugs nach Überschreitung der 30 Mio. Euro Grenze: Hereditäre Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (Stadium 1 oder 2)). 16. Mai 2024.

G-BA. Tragende Gründe zum Beschluss. Patisiran (Neubewertung eines Orphan Drugs nach Überschreitung der 30 Mio. Euro Grenze: Hereditäre Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (Stadium 1 oder 2)). 16. Mai 2024.

Krankenhauspharmazie 2024; 45(07):324-324