Wie lautet die Zulassung?
Das Arzneimittel wird in Kombination mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) bei Erwachsenen mit therapieresistenter Major Depression angewendet, die in der aktuellen mittelgradigen bis schweren depressiven Episode auf mindestens zwei unterschiedliche Therapien mit Antidepressiva nicht angesprochen haben.
Wie lautet der Beschluss des G-BA?
Der G-BA sieht einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen.
Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?
Zweckmäßige Vergleichstherapie waren die Augmentation mit Lithium bzw. Quetiapin retard (jeweils als Add-on zu der zuletzt gegebenen antidepressiven Monotherapie) oder eine Kombination zweier Antidepressiva.
Wie ist die Studienlage?
Für die Bewertung des Zusatznutzens wurde die randomisierte, multizentrische, offene Studie ESCAPE-TRD mit 676 Patienten herangezogen, die an einer mittelschweren bis schweren Major Depression ohne psychotische Merkmale litten. Bedingung war, dass die Patienten nicht auf die bestehende antidepressive Behandlung mit einem SSRI oder SNRI ansprechen (Verbesserung der Symptome um weniger als 25 %). In der Studie wurde Esketamin mit Quetiapin retard, jeweils in Kombination mit einem SSRI oder SNRI verglichen. Primärer Endpunkt war die Remission der Depression zu Woche 8, definiert als Gesamtscore ≤ 10 Punkte auf der Montgomery-Åsberg-Depression-Rating-Scale (MADRS). Weitere Endpunkte zur Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen wurden zu Woche 8 und 32 erhoben (verschiedene Skalen).
Hinsichtlich Remission und Ansprechen in Woche 8 und Woche 32 zeigte sich ein statistisch signifikanter Vorteil für den Esketamin-Behandlungsarm. In Woche 32 galt dies jedoch nur für die Patienten mit SNRI in der Kombinationsbehandlung, nicht aber für die Patienten, die zusätzlich SSRI bekamen.
In der selbstbeurteilten funktionellen Remission zeigte sich in Woche 32 ein Vorteil für Esketamin. Hinsichtlich der allgemeinen depressiven Symptomatik zeigten sich in verschiedenen Bewertungstools ebenfalls signifikante Unterschiede zugunsten von Esketamin (Woche 8 und 32). Auch die Lebensqualität war unter Esketamin besser. In Woche 32 bestand der Vorteil gegenüber Quetiapin allerdings wie beim Endpunkt Remission nur bei den Patienten, die zusätzlich SNRI erhielten.
Keine signifikanten Unterschiede ergaben sich für die Endpunkte Suizidgedanken und suizidales Verhalten.
Schwere unerwünschte Ereignisse traten unter beiden Therapien gleich häufig auf. Nebenwirkungsbedingte Abbrüche waren unter Esketamin seltener, dafür waren spezifische unerwünschte Effekte (psychiatrische Erkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems, der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums, Übelkeit und Erbrechen) unter Esketamin signifikant häufiger.
Warum hat der G-BA so entschieden?
In besonders relevanten Endpunkten wie Remission und Ansprechen zeigt sich ein Vorteil von Esketamin gegenüber Quetiapin und auch in einigen weiteren Morbiditätsendpunkten war Esketamin Quetiapin überlegen. Hinsichtlich der Nebenwirkungen sieht der G-BA insgesamt ebenfalls Vorteile für Esketamin, auch wenn es hinsichtlich einiger spezifischer Nebenwirkungen Nachteile gegenüber Quetiapin hat.
In der Gesamtbetrachtung sieht der G-BA somit einen beträchtlichen Zusatznutzen für Esketamin gegenüber Quetiapin retard in der Behandlung von erwachsenen Patienten mit therapieresistenter Major Depression.
Es besteht ein hohes Verzerrungspotenzial wegen des offenen Studiendesigns und der subjektiven Endpunkterhebung. Somit ist die Aussagesicherheit für den festgestellten Zusatznutzen mit Unsicherheiten behaftet und wird daher als „Anhaltspunkt“ eingestuft.
Der G-BA hat damit zum ersten Mal einem Wirkstoff zur Behandlung einer psychischen Erkrankung einen deutlichen Vorteil für die Patienten gegenüber der Vergleichstherapie bescheinigt.
Quellen
Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – Esketamin (Neubewertung nach Fristablauf (Depression, therapieresistent, in Kombination mit SSRI oder SNRI]). 21. September 2023.
Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – Esketamin (Neubewertung nach Fristablauf [Depression, therapieresistent, in Kombination mit SSRI oder SNRI]). 21. September 2023.
Krankenhauspharmazie 2023; 44(11):454-454