Myasthenie – was steckt hinter den schwachen und müden Muskeln?
Eine Übersicht zum Krankheitsbild und dessen medikamentöser Therapie
Die Myasthenia gravis (MG) gehört zu den eher seltenen Krankheitsbildern der Neurologie. Patienten zeigen eine Muskelschwäche, die unter andauernder Belastung zunimmt und sich nach einer Ruhephase wieder zu bessern vermag. Zugrunde liegt eine Autoimmunerkrankung, wobei sich Antikörper insbesondere gegen den nicotinergen Acetylcholin-Rezeptor der neuromuskulären Endplatte nachweisen lassen. Durch Blockade und nachfolgende Zerstörung dieser Rezeptoren wird die Reizweiterleitung und Innervation des dem motorischen Nerv nachgeschalteten Muskels beeinträchtigt. Neben recht kleinen Muskeln (z. B. okulär oder bulbär) können schließlich auch die der Extremitäten und die Atemmuskulatur betroffen sein, was zu dramatischen Notfällen führen kann. Seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat man mit den Acetylcholinesterase-Hemmstoffen ein wirksames Grundprinzip zur symptomatischen Therapie gefunden. Diese bewirken eine vermehrte Bereitstellung des Neurotransmitters Acetylcholin und zählen noch immer zu den wichtigen Optionen. Erweiterte Erkenntnisse zu den pathologischen und immunologischen Prozessen haben zur rationalen Nutzung von Immunsuppressiva geführt, die heute einen zuverlässigen Anteil an der sicheren Therapieführung und Krankheitskontrolle innehaben. Dennoch ist eine spontane Verschlechterung (myasthene Krise) infolge von Infektionen, Stress, Hormonumstellungen oder Komedikationen möglich, wodurch der Autoimmunprozess getriggert wird. Die Beteiligung von klinischen Pharmazeuten kann bei der Optimierung der Medikation wertvoll sein. Obwohl noch keine kurative Therapie verfügbar ist, lassen sich – unter Beachtung wesentlicher Vorsichtsmaßnahmen – dennoch überwiegend zufriedenstellende Behandlungsergebnisse mit hoher Lebensqualität für die Betroffenen bei nur geringen Beeinträchtigungen erzielen.
Schlüsselwörter: Myasthenie, Medikationen, Acetylcholinesterase-Inhibitoren, Immunsuppressiva
Krankenhauspharmazie 2022;43:43–55.
English abstract
Myasthenia – What is the reason for weak and exhausted muscles?
An overview of the disease and its medications
Myasthenia gravis (MG) is known for being hardly represented in neurology. Patients show some kind of abnormous fluctuating weakness of their muscles which increases when put under strain and becomes less when the muscles relax. MG is an autoimmune process characterised by antibodies which are directed against the acetylcholine-receptors of the neuromuscular junction. These acetylcholine-receptors are blocked and destroyed and the innervation of the functioning of the scelettal muscles are, as a consequence, affected negatively. Apart from smaller muscles (e. g. occular and bulbar muscles), the controllers of extremities such as muscles which support breathing can be seriously affected and may require intensive medical care. In the 30ies of the last century, inhibitors of the enzyme acetylcholinesterase prooved to be an effective medication for a symptomatic therapy. These inhibitors provide more of the neurotransmitter acetylcholin and still count among the most important options in therapy. Advances in knowledge of the pathologic and immunologic processes have led to a more rational use of immunosuppressant drugs which play an important part in the safe therapy guidance and control of the disease, nowadays. Infections, stress and hormonal changes or co-medications can lead to a spontaneous worsening of the disease (myasthenic crisis) which result in the activation of an autoimmune process as a hazardous situation. Involvement of clinical pharmacists can be helpful in optimising suitable medication. In fact, as up to now a complete curative therapy is still unavailable but considering essential precautions, satisfactory treatment results with a high quality of life and few impairments can be achieved for the patients.
Key words: myasthenia, medications, acetylcholinesterase-inhibitors, immunosuppressiva
Physikalisch-chemische Stabilität Thiotepa-haltiger konzentrierter Lösungen
Hochdosiertes Thiotepa spielt in Verbindung mit autologen oder allogenen peripheren Stammzelltransplantationen eine wichtige therapeutische Rolle. In wässrigen Lösungen kommt es zu einer allmählichen Hydrolyse des polyfunktionellen Alkylans unter sukzessiver Freisetzung von Aziridin-Einheiten, in chloridhaltigem Milieu zu Monochlor-, Dichloro- und Trichloroderivaten. Wird das Lyophilisat mit Aqua ad inj. rekonstituiert, so entsteht ein Thiotepa-Konzentrat (10 mg/ml) mit einem pH-Wert zwischen 5,5 bis 7,5. Weitergehende HPLC-Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass diese Stammlösung physikalisch-chemisch über 28 Tage bei 2 bis 8°C haltbar ist, sodass Restmengen weiterverwendet werden können. Die Haltbarkeit verdünnter Zubereitungen in NaCl 0,9 % ist allerdings deutlich kürzer. Diese weitergehende HPLC-basierte Analyse ist von pharmaökonomischem Interesse, da Thiotepa-Verwürfe in vielen deutschen Krankenhäusern nicht refinanziert sind.
Schlüsselwörter: Hochdosis-Thiotepa, Stammlösung, physikalisch-chemische Stabilität, HPLC, Pharmakoökonomie
Krankenhauspharmazie 2022;43:57–62.
English abstract
Physico-chemical stability of thiotepa-containing stock solutions
High-dose thiotepa plays an important therapeutic role in autologous and allogenic PBSCT. In aqueous solutions, the polyfunctional alkylans undergoes a successive release of aziridines, whereas in a chloride containing milieu, mono-, di- and trichloro derivatives have been identified. After reconstitution in sterile water, thiotepa (10 mg/ml) containing stock solutions remain physico-chemically stable for at least 28 days at 2–8°C, which allows further uses of residual amounts.
In contrast, diluted solutions in NaCl 0,9% are far less stable. These HPLC-based results are of pharmacoeconomic importance, based on the fact that in many German hospitals discards of thiotepa are not refinanced.
Key words: High-dose thiotepa, stock solution, physico-chemical stability, HPLC, pharmacoeconomics
Neues zu Erkrankungen des Nervensystems
94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Aufgrund der Coronapandemie fand der 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vom 3. bis 6. November 2021 nun zum zweiten Mal in Folge ausschließlich virtuell statt. Zu den vielen spannenden Themen zählten die COVID-19-Enzephalopathie, Akuttherapie und Sekundärprävention des Schlaganfalls, Meningitistherapie und ein neues Wirkprinzip bei multipler Sklerose.
Krankenhauspharmazie 2022;43:63–6.
Medikationsfehler
5-Fluorouracil-Verabreichungsfehler
Zum überwiegenden Teil werden 5-Fluorouracil-Therapien inzwischen ambulant und damit über Elastomerpumpen verabreicht. Um Kosten stationär einzusparen, werden die inzwischen selten gewordenen stationären 5-Fluorouracil-Therapien den Patienten häufig im Infusionsbeutel oder über eine Spritzenpumpe analog zu anderen Therapien appliziert.
Antibiotikatherapie bei Harnwegsinfektionen
Temocillin schont das Mikrobiom
Wird bei fieberhaften Harnwegsinfektionen anstelle von Cefotaxim das Schmalspektrum-Betalaktam Temocillin eingesetzt, wirkt sich dies positiv auf das Mikrobiom der Patienten aus. Unter Temocillin ist die Anzahl resistenter Mikroorganismen im Darm geringer und Infektionen mit Clostridioides difficile treten seltener auf.
Ambulant erworbene Pneumonie
Reduktion von Dosis und Behandlungszeit bei Amoxicillin-Therapie
Kinder mit Anzeichen einer ambulant erworbenen Pneumonie werden in der Regel mit Antibiotika behandelt, meist mit dem Betalactam Amoxicillin. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Resistenzentwicklung wurde in einer Studie nun untersucht, ob sich Dosierung und Dauer einer Amoxicillin-Therapie reduzieren lassen, ohne den Therapieerfolg zu gefährden.
Behandlung der Knie- und Hüftarthrose
Aktuelle Metaanalyse: Bestes Nutzen-Risiko-Verhältnis für topisches Diclofenac
Eine kanadische Arbeitsgruppe hat kürzlich die Ergebnisse eines systematischen Reviews plus Netzwerk-Metaanalyse von randomisierten Studien zum Einsatz verschiedener Analgetika bei Knie- und Hüftgelenksarthrose publiziert. Am besten schnitt dabei Diclofenac-Gel ab.
Typ-2-Diabetes
Tirzepatid ist Insulin glargin überlegen
Patienten mit Typ-2-Diabetes und erhöhtem kardiovaskulären Risiko profitieren von dem GIP/GLP-1-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid – auch über längere Zeit. Das geht aus den Ergebnissen der SURPASS-4-Studie hervor, deren Ergebnisse im Oktober 2021 publiziert wurden. Im Vergleich zur täglichen Einnahme von Insulin glargin konnte der neue Wirkstoff den HbA1c-Wert über einen Zeitraum von 52 Wochen stärker und klinisch bedeutsamer senken – bei weniger Hypoglykämien und signifikanter Gewichtsabnahme. Zudem scheint Tirzepatid aus kardiovaskulärer Perspektive sicher zu sein.
Morbus Crohn
Metaanalyse zur Wirksamkeit und Sicherheit verschiedener Biologika
Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die in der Regel mit Biologika behandelt wird. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Antikörpern, die gegen verschiedene Targets gerichtet sind. In der vorliegenden Metaanalyse wurden verschiedene Klassen antiinflammatorischer Antikörper zur Therapie des mittelschweren bis schweren Morbus Crohn bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit verglichen.