Expertengremium: Swantje Eisend, Kiel, Lars Lemmer, Gummersbach, Simone Melzer, Hamburg, Carina Meyerhoff, Hamburg, Sanjiv Sarin, Andernach, Stefan Schlosser, Coburg, Jochen Schnurrer, Essen, Mechthild Wenke, Goslar
Neben der ADKA „Thesis zum Closed Loop Medikation Management (CLMM)“ besteht auch der politische Wille, die Digitalisierung der Prozesse im Krankenhauses voranzutreiben. Hierzu gibt es mit Einführung des Krankenhauszukunftsgesetztes (KHZG) 2021 finanzielle Unterstützung. Teil dieser Förderung ist zum Beispiel die Implementierung eines elektronischen Verordnungssytems, welches die Arzneimitteltherapiesicherheit allgemein und besonderes im Krankenhaus verbessert. Ein wesentlicher Teil des CLMM ist die sichere patientenindividuelle Arzneimittelversorgung, diese erfolgt am besten zentral durch die Krankenhausapotheke.
Die Unit-Dose-Versorgung als ein bewährtes und effektives Instrument ist hierfür besonders gut geeignet.
Mit der 1. Version der Leitlinie wurden grundsätzliche Voraussetzungen für eine Unit-Dose-Versorgung beschrieben. Mit der Revision wurden die beschriebenen Prozesse durch die Mitglieder des Ausschuss Unit-Dose der ADKA überprüft und ergänzt.
Die vorliegende Leitlinie beschreibt die Anforderungen an eine Unit-Dose-Versorgung in der Krankenhausapotheke. Es werden alle wesentlichen Punkte angesprochen, die zur Etablierung einer Unit-Dose-Versorgung berücksichtigt werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
I Präambel
II Zweckbestimmung und Geltungsbereich
III Regulatorische Anforderungen
IV Verfahren
V Verabschiedung
I Präambel
Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Arzneimitteltherapie ist von deren dosis- und zeitgerechter Applikation (Verabreichung) abhängig. Im Krankenhaus erfolgt die Portionierung und Verteilung von Arzneimitteln an die Patienten häufig durch die Pflegekräfte. Dieser Personenkreis sichert die dosis- und zeitgerechte Einnahme und veranlasst eventuell kurzfristig nötige Therapieänderungen in Absprache mit den Ärzten.
Im Vergleich zum ursprünglichen Verteilungs- und Verabreichungsprozess von Arzneimitteln im Krankenhaus stellt die Unit-Dose-Versorgung eine patientenindividuelle Versorgungsform dar.
Kernstück einer Unit-Dose-Versorgung ist grundsätzlich die automatisierte patientenindividuelle Verblisterung aller Arzneimittelformen in Kombination mit der Direktbelieferung der Stationen durch die Klinikapotheke. Innerhalb dieses Systems werden die Arzneimittel durch die Apotheke für den einzelnen Patienten zusammengestellt und auf die Stationen geliefert. Die Versorgung mit einzeln abgepackten Arzneimitteln (Unit-Dose-Versorgung) ist daher Teil eines Gesamtkonzeptes aus elektronischer Verschreibung mit Dosier- und Interaktionsprüfung, automatisierter patientenbezogener Kommissionierung von Einzeldosen und IT-/Barcode-gestützter Verabreichungsdokumentation. Im optimalen Fall unterstützen klinische Pharmazeuten auf den Stationen den Verordnungs- und Verabreichungsprozess und stehen Pflegekräften und Ärzten beratend zur Seite.
Diese Leitlinie stellt die Anforderungen an eine Unit-Dose-Versorgung für Krankenhausapotheken dar und gibt in speziellen Bereichen Empfehlungen zur Umsetzung.
II Zweckbestimmung und Geltungsbereich
Zweckbestimmung
Das patientenindividuelle Verblistern ist eine klinisch-pharmazeutische Dienstleistung, die der Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit für den Patienten im Krankenhaus dient.*,** Ziel und Zweck dieser Leitlinie ist es, die Vorschriften von § 34 ApBetrO „Patientenindividuelles Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln“ für die Anwendung in der Krankenhausapotheke zu konkretisieren und gegenüber den Anforderungen an die industrielle Verblisterung im Rahmen einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) abzugrenzen.
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich dieser Leitlinie ist die patientenindividuelle Verblisterung durch eine Krankenhausapotheke für Patienten im Krankenhaus gemäß § 14 Apothekengesetz (ApoG).
Gemäß § 1a Begriffsbestimmungen in der ApBetrO gilt:
(1) Patientenindividuelles Stellen ist die auf Einzelanforderung vorgenommene und patientenbezogene manuelle Neuverpackung von Fertigarzneimitteln für bestimmte Einnahmezeitpunkte des Patienten in einem wieder verwendbaren Behältnis.
(2) Patientenindividuelles Verblistern ist die auf Einzelanforderung vorgenommene und patientenbezogene manuelle oder maschinelle Neuverpackung von Fertigarzneimitteln für bestimmte Einnahmezeitpunkte des Patienten in einem nicht wiederverwendbaren Behältnis.
III Regulatorische Anforderungen
Sofern die Krankenhausapotheke Arzneimittel nur für Patienten des eigenen Krankenhauses oder zur Abgabe an Krankenhäuser, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht, verblistert, ist keine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG erforderlich.
Bleibt die Krankenhausapotheke im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes und darf ohne Herstellungserlaubnis verblistern, unterliegt sie nicht den Bestimmungen der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) sowie den EU-GMP-Richtlinien. Hier gelten das Apothekengesetz (ApoG) und die ApBetrO, hier insbesondere § 34 „Patientenindividuelles Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln“.
Das maschinelle Verblistern ist bei der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Bei Umbau oder Neubau ist es empfehlenswert, die Pläne mit der zuständigen Aufsichtsbehörde vor Baubeginn abzustimmen.
Die Richtlinie für Apotheken der Arbeitsgruppe der Zentralstelle der Länder (ZLG) für Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB), die die Voraussetzungen und Auflagen für die maschinelle, automatische Verblisterung beschreibt, ist berücksichtigt. (Aide–Mémoire 07120201).
Da das Verblistern eine Änderung des Primärpackmittels darstellt, ist je nach logistischem Konzept der Verblisterung § 7 „Rezepturarzneimittel“ bzw. § 8 ApBetrO „Defekturarzneimittel“ einschlägig. Die rechtlichen Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) sind durch das Berechtigungskonzept in der elektronischen Verordnungssoftware sicherzustellen.
IV Verfahren
Zuständigkeiten
Der Apothekenleiter trägt die Verantwortung für die gesetzeskonforme Ausstattung, die Beschaffenheit der Räume und die Koordination der Abläufe in der Krankenhausapotheke. Es ist zu gewährleisten, dass Personal in angemessener Anzahl und Qualifikation für die Unit-Dose-Versorgung zur Verfügung steht und die Mitarbeiter regelmäßig geschult werden.
1. QS-System
Im QS-System sind nach § 34 Abs. 1 ApBetrO zu folgenden Punkten Festlegungen zu treffen:
- zur Auswahl der Arzneimittel, die für ein Stellen oder eine Neuverblisterung grundsätzlich in Frage kommen oder die nicht für das Stellen oder die Neuverblisterung geeignet sind. Es bietet sich an, eine derartige Auswahl im Rahmen einer Risikoanalyse zu dokumentieren. Als mögliche Kriterien für die Risikoanalyse können herangezogen werden:
- CMR-Arzneimittel
- Hygroskopisches Arzneimittel
- Lichtempfindliches Arzneimittel
- Bruchempfindliches Arzneimittel
- Abrieb
- zur Entscheidung, welche Arzneimittel für eine gleichzeitige Einnahme gegebenenfalls nicht in demselben Einzelbehältnis aufbewahrt oder im selben Einzelblister verblistert werden können,
- zur Entscheidung, in welchen Ausnahmefällen Tabletten vor dem Verblistern geteilt werden dürfen, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Die Stabilität des geteilten Arzneimittels im Unit-Dose-Blister muss bis zum Einnahmezeitpunkt gegeben sein,
- zur Zwischenlagerung und Kennzeichnung der entblisterten Arzneimittel,
- zu den technischen und organisatorischen Maßnahmen, um die Qualität der entblisterten Arzneimittel zu erhalten und um insbesondere Kreuzkontaminationen und Verwechslungen zu vermeiden; einschließlich der Überprüfung ihrer Wirksamkeit,
Zur Bearbeitung der Punkte 1–5 wird die Datensammlung zur Beurteilung von Oralia (DABO) inklusive Prozessbeschreibung und Anhängen empfohlen.
- zur Kalibrierung, Qualifizierung, Wartung und Reinigung der Blisterautomaten, soweit verwendet, oder sonstiger kritischer Ausrüstungsgegenstände oder Geräte,
- zu den primären Verpackungsmaterialien und ihren Qualitätsprüfungen,
- zu den Herstellungsanweisungen und den Herstellungsprotokollen gemäß § 7 ApBetrO,
- zu den Prüfanweisungen und den Prüfprotokollen gemäß § 8 ApBetrO bei defekturmäßiger Herstellung von Unit-Dose-Arzneimitteln,
- zum Hygieneplan sowie
- zum hygienischen Verhalten des Personals am Arbeitsplatz und zur Art der Schutzkleidung für die Arzneimittelherstellung, einschließlich der Art und Weise und der Häufigkeit der Umkleidevorgänge.
Zusätzlich sollten folgende Punkte im QS-System abgebildet werden:
- Anforderungen an Personal und Schulung
- Elektronische Datenübermittlung
- Software-Updates
- Kennzeichnung der Unit-Dose-Blister nach § 34 Abs. 4 ApBetrO
- Vorgehen bei Änderung der Verordnung innerhalb des Einnahmezeitraumes der verblisterten Arzneimittel
- Transport und Versand
- Reklamationen und Beanstandungen
- Retourenbearbeitung
- Ausfallkonzept
2. Umsetzungsempfehlungen und Infrastruktur
Eignung der Räume
Das patientenindividuelle Verblistern ist in einem separaten Raum vorzunehmen, der ausschließlich diesem Zweck dienen darf. Der Raum muss von angemessener Größe sein, um die einzelnen Arbeitsgänge in spezifisch zugeordneten Bereichen durchführen zu können.
Seine Wände und Oberflächen sowie der Fußboden müssen leicht zu reinigen sein, damit das umgebungsbedingte Kontaminationsrisiko für die Arzneimittel minimal ist.
Der Zugang und das Einbringen der Materialien sollen bei der maschinellen Verblisterung über einen Zwischenraum (Schleuse) zur Aufrechterhaltung einer im Herstellungsraum geeigneten Raumqualität erfolgen.
Der Versorgungsprozess für feste orale Arzneimittel unterteilt sich in folgende Teilprozesse:
- die Lagerung der zu verblisternden Arzneimittel und des Verpackungsmaterials
- das Entblistern der Arzneimittel
- die Zwischenlagerung der Arzneimittel nach dem Entblistern
- das Verblistern
- die Endkontrolle der Blister
- die Lagerung/Quarantäne der verblisterten Arzneimittel
- den Versand
Die Rationale für die Notwendigkeit eines separaten Raumes ist der Umgang mit dem offenen Produkt während des Entblister- und des Verblisterprozesses. Die verschiedenen Vorgänge wie das Entblistern, das Zwischenlagern von entblisterten Fertigarzneimitteln, das Verblistern und die Endkontrolle der Blister können in diesem einen Raum stattfinden, wenn die Prozesse in separaten Bereichen durchgeführt werden.
Die Bereiche oder Räume, in denen mit dem entblisterten Arzneimittel umgegangen wird, sind in Bezug auf die mikrobiologische Produktsicherheit die kritischen Bereiche. Sie sollten so beschaffen sein, dass der im QS-System der Apotheke etablierte Hygieneplan auch für diesen Bereich umgesetzt werden kann.
Für die Räume und Bereiche sind geeignete Reinigungspläne zu erstellen und deren Einhaltung ist zu dokumentieren.
Hygiene
Die nach § 4a ApBetrO geforderten Hygienemaßnahmen gelten auch für den Bereich der Unit-Dose-Versorgung. Es ist ein Hygieneplan zu erstellen bzw. zu integrieren für:
- das Personal
- die Räume
- die Kommissionierautomaten
- eventuell weitere Geräte; z. B.: Kontrollgerät
Das Personal muss hinsichtlich des Hygieneplans und der Hygienemaßnahmen regelmäßig nach den Vorgaben der Hygienerichtlinien des Krankenhauses unterwiesen werden. Auch das Reinigungspersonal muss bei den Schulungen mit einbezogen werden. Es ist ein Bekleidungskonzept zu erstellen, in dem Festlegungen zur Art der zu tragenden Handschuhe, Kittel, Schuhe, Kopfbedeckungen etc. getroffen werden. Die Intervalle des Bekleidungswechsels der Reinraumkleidung und der Vorgang des Anlegens sind zu beschreiben.
Für die Räume und das Mobiliar ist ein schriftlicher Reinigungsplan unter Angabe der Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sowie deren Frequenz zu erstellen. In den kritischen Bereichen, in denen mit dem offenen Produkt umgegangen wird, sollten kontrollierte Raumbedingungen vorliegen und regelmäßige Qualitätsprüfungen stattfinden. Ebenso sollten regelmäßige Kontrollen des umgebenden Raums durchgeführt werden. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren und zu bewerten.
Die Reinigung des Automaten erfolgt in regelmäßigen Abständen entsprechend den Empfehlungen des Automatenherstellers. Sollten derartige Empfehlungen nicht vorliegen, ist ein Reinigungsverfahren festzulegen. Die Reinigungsschritte und die Frequenz sind schriftlich festzulegen und die Durchführung ist zu dokumentieren.
Es wird empfohlen, einen jährlichen Hygienebericht zu erstellen, in welchem die erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen des Hygieneplans zusammengefasst dargestellt wird. So können Trend, Umsetzung und Erfolg der Hygienemaßnahmen strukturiert verfolgt werden.
Entblistern
Der Prozess des Entblisterns stellt einen Umgang mit dem offenen Produkt dar. Er dient der Vorbereitung des Neuverpackungsprozesses und stellt ein Umfüllen dar. Aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen ist eine ausreichende Staubabsaugung am Arbeitsplatz des Entblisterns zu betreiben. Für das Entblistern ist eine standardisierte Arbeitsanweisung zu erstellen, die folgende Punkte berücksichtigt:
- Einhaltung des Hygieneplans
- Vorbereitung des Arbeitsplatzes
- Einsatz von Maschinen zum Entblistern
- Beschreibung des Ablaufs
- Methoden, mit denen sichergestellt wird, dass eine Verwechslung mit anderen Produkten ausgeschlossen wird (Vier-Augen-Prinzip, EDV-gestütztes oder alternatives Verfahren gleicher Qualität, Inprozesskontrollen)
- Verpackungsmaterialien und deren Kennzeichnung
- Freigabe und Dokumentation.
Für jeden Entblisterungsprozess ist ein Protokoll zu erstellen, in dem folgende Angaben anzuführen sind:
- Name des Arzneimittels und Stärke
- Menge
- Entblisterungsdatum
- Chargenbezeichnung des entblisterten Fertigarzneimittels
- Interne Chargenbezeichnung des hergestellten Produktes
- Haltbarkeit
- Umverpackung zur Vorratshaltung
- Name der Person, die die Arzneimittel entblistert hat.
- Name der Person, die die entblisterten Arzneimittel freigegeben hat.
Bis zur Freigabe verbleiben die entblisterten Tabletten in Quarantäne.
Zur Festlegung der Haltbarkeit können wissenschaftliche Untersuchungen und Angaben des Herstellers verwendet werden.
Primärpackmittel
Zu den Primärpackmitteln gehört die Verpackung für die kommissionierten Unit-Dose-Arzneimittel wie Blisterfolie und die Verpackungsmaterialien für die entblisterten Arzneimittel. Wie auch bei anderen Primärpackmitteln vorgeschrieben, sind bei den eingesetzten Materialien Eingangskontrollen vorzunehmen. Die Lieferfirma sollte ein Zertifikat bereitstellen. Es gilt § 13 ApBetrO. Hiernach dürfen nur Verpackungsmaterialien eingesetzt werden, die Arzneimittel vor physikalischen, mikrobiellen und chemischen Veränderungen schützen.
Herstellungsvarianten
Das Verblistern kann je nach logistischem Konzept unter zwei unterschiedlichen Bedingungen erfolgen; zum einen gemäß § 7 ApBetrO „Rezepturarzneimittel“ und zum anderen nach § 8 ApBetrO „Defekturarzneimittel“.
1. Rezepturherstellung gemäß § 7 ApBetrO
Wenn das logistische Konzept die Herstellung individueller, patientenbezogener Einzelverpackungen vorsieht, ohne dass eine Herstellung im Voraus stattfindet, erfolgt die Verblisterung als rezepturmäßige Herstellung. Erforderlich hierfür sind
- das Vorliegen einer ärztlichen Verordnung
- die Plausibilitätsprüfung
- die schriftliche Herstellungsanweisung
- die Kennzeichnung und Dokumentation gem. § 7 ApBetrO
- die Prüfung und Freigabe durch einen Apotheker vor Abgabe
Plausibilitätsprüfung, Herstellungsanweisung
Analog dem § 7 ApBetrO hat vor dem Verblistern eine Plausibilitätsprüfung der Verordnungen zu erfolgen. Diese wird durch Überprüfung der ärztlichen Anordnung durch einen Apotheker unter pharmazeutischen Gesichtspunkten durchgeführt. Diese Prüfung muss unter anderem die Dosierung und die Applikationsart berücksichtigen.
Es wird weiterhin empfohlen, zusätzlich die pharmazeutische Plausibilität möglichst im Kontext der gesamten Medikation des Patienten zu überprüfen. Hierzu wird abweichend von § 7 ApBetrO die Plausibilität zusätzlich in Bezug auf die Art, Menge und Kompatibilität der Arzneimittel untereinander sowie deren gleichbleibende Qualität in den fertig hergestellten Rezepturarzneimitteln über deren Haltbarkeitszeitraum für einen Patienten geprüft (Anmerkung: die Haltbarkeit eines Rezepturarzneimittels wird im Vorfeld innerhalb der erstellten Risikoanalyse geprüft). Zudem wird nach klinisch-pharmazeutischen Gesichtspunkten die gesamte Verordnung überprüft, zum Beispiel auf Interaktionen, maximale Tageshöchstmengen oder Mindestdosierungen.
Mit der Freigabe (Validierung/Vidierung) im elektronischen Verordnungsprogramm durch einen Apotheker gilt die Plausibilitätsprüfung als durchgeführt. Die Freigabe wird im elektronischen Verordnungssystem dokumentiert. Der freigegebene elektronische Datensatz gilt als Herstellungsanweisung für die Herstellung der patientenindividuellen Blister.
Herstellungsprotokoll
Gemäß § 7 ApBetrO ist für eine Unit-Dose-Verblisterung ein Herstellungsprotokoll anzufertigen. Dieses beinhaltet insbesondere folgende Punkte:
- Art und Menge der neu verpackten Fertigarzneimittel und deren Chargenbezeichnungen
- die Herstellungsparameter, zum Beispiel Maschinenparameter des Blisterautomaten
- Ggf. Inprozesskontrollen und deren Ergebnisse
- den Namen des Patienten und des verschreibenden Arztes oder Zahnarztes (Verweis auf das elektronische Verschreibungssystem)
- Anstelle des Namens des Patienten kann auch eine Bezug nehmende Herstellnummer dokumentiert werden.
- den Namen der Person, die das Rezepturarzneimittel hergestellt hat (Operator)
- Ergebnisse der vorgenommenen Prüfungen des hergestellten Arzneimittels (Schlauchkontrolle)
- Freigabe des Apothekers
Prüfung der Blister
Die patientenindividuell hergestellten Blister sind organoleptisch auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Zur Prüfung bieten sich eine visuelle Kontrolle aller Beutel oder eine maschinelle optische Kontrolle mittels Erkennungssystemen an, die die Anzahl und die Größe der verblisterten Arzneimittel zeigen, vergleichen und dokumentieren können.
2. Defekturherstellung gemäß § 8 ApBetrO
Wenn das logistische Konzept die Herstellung von Einzelverpackungen ohne Patientenbezug im Voraus vorsieht, erfolgt die Verblisterung unter Defekturbedingungen. Bei der Neuverpackung ist eine Herstellung von 100 abgabefertigen Packungen je Tag und Charge zulässig.
Erforderlich sind:
- Schriftliche Herstellungsanweisung
- Herstellungsprotokoll gem. § 8 ApBetrO
- Kennzeichnung der Packungen gem. § 8 ApBetrO
- Schriftliche Prüfanweisung
- Prüfung und Dokumentation im Prüfprotokoll
- Freigabe nach erfolgreicher Prüfung
Verblisterautomat
Der Verblisterautomat muss den notwendigen Anforderungen an den Apothekenbetrieb im Krankenhaus entsprechen. Die Auswahl eines derartigen Gerätes erfolgt gemäß den QS-Anforderungen der Apotheke und ist zu dokumentieren. Folgende Qualifizierungen sind dabei zu beachten:
Design Qualification (DQ)
Die DQ ist der dokumentierte Nachweis, dass ein Gerät nach dem Anforderungsprofil geplant wurde und dem Stand der Technik entspricht. Es ist sicherzustellen, dass die Komponenten des Gerätes das Produkt weder direkt noch indirekt negativ beeinflussen und keine Gefahr für Mensch und Produkt entsteht. Es werden Produktionsablauf, Materialfluss sowie die Einbindung der technischen Anlagen berücksichtigt. Die detaillierte Planung wird dokumentiert.
Installation Qualification (IQ)
Die IQ ist der dokumentierte Nachweis, dass ein Gerät gemäß der DQ installiert wurde und alle für den Prozess relevanten Komponenten entsprechend den Zertifikaten installiert wurden. Die Installation soll nach Möglichkeit durch eine beauftragte Firma vorgenommen werden und die Fertigstellung der Installation dokumentiert werden.
Operation Qualification (OQ)
Nach der Inbetriebnahme des Gerätes wird die OQ durchgeführt. Die OQ dokumentiert, dass die Anlage alle geplanten und in der DQ spezifizierten Funktionen erfüllt. Es wird nachgewiesen, dass alle prozessbedingten Parameter eingehalten werden. Die Art der Prüfungen wird in der OQ beschrieben und daraus resultierende Prüfprotokolle werden der OQ beigefügt. Anhand des erstellten Prüfplanes und der darin beschriebenen Prüfungen werden die Prüfungen der OQ durchgeführt.
Kalibrierung von Produktbehältern (Kanistern)
In Abhängigkeit von der Verpackungstechnologie kann es notwendig sein, vor Inbetriebnahme eines neuen Kanisters eine Kalibrierung durchzuführen, die die Prozesskette von der elektronischen Verordnung bis zur richtigen Produktion der Blister des betreffenden Arzneimittels umfasst. Dieses ist zu dokumentieren.
Automaten-Software und Schnittstellen
Verblisterautomaten sind ohne elektronische Steuerung mit entsprechender Software nicht funktionsfähig. Die Fehlerfreiheit der Verblisterung steht und fällt mit der Sicherheit der Dateneingabe und -verarbeitung. Daher sind die Eignung der Schnittstellen und der Datenübertragung sowie die Datenintegrität nachzuweisen. Es sollte geprüft werden, ob weitere Schnittstellen zu installieren sind, wie zum Beispiel die Patientenadministration und die Materialwirtschaft.
Kennzeichnen der Blister
Die produzierten Unit-Dose-Blister müssen entsprechend den Vorgaben des § 34 ApBetrO gekennzeichnet werden mit:
- Angaben zur eindeutigen Identifizierbarkeit des Patienten, zum Beispiel: Name, Geburtsdatum, Fallnummer, Zimmernummer
- den enthaltenen Arzneimitteln und ihrer Chargenbezeichnung
- dem Verfallsdatum des neu zusammengestellten Arzneimittels und der Chargenbezeichnung
- den Einnahmehinweisen
- ggf. Lagerungshinweisen
- Name und Anschrift der abgebenden Apotheke
Gegebenenfalls kann ein QR-Code mit der Verknüpfung zur Gebrauchsinformation des Fertigarzneimittels auf dem Blister aufgebracht werden.
Gebrauchsinformationen
Im Krankenhausbetrieb erfolgt die Abgabe der Arzneimittel an die Stationen bzw. Teileinheiten des Krankenhauses. Es wird empfohlen, die Gebrauchsinformationen den Stationen in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen (elektronisch oder schriftlich).
Rückrufe
Bei Rückrufen ist mit den zurückgerufenen Arzneimitteln analog des üblichen Apothekenbetriebs zu verfahren. Hier gelten die im QS-System der Apotheke beschriebenen Regelungen. Diese werden für den Prozess der Unit-Dose-Versorgung übernommen.
Haftung
Patientenindividuell verblisterte Arzneimittel werden im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes nach den Vorschriften der ApBetrO hergestellt. Haftungsrechtliche Fragestellungen sind analog anderer Herstellungsvorgänge im Krankenhaus geregelt.
Retouren
Sollen Retouren im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes wieder verwendet werden, muss überprüft werden und gewährleistet sein, dass die Originalverpackung nicht geöffnet worden ist, die notwendigen Lagerbedingungen (Temperatur, Lichtschutz etc.) eingehalten worden sind und die Haltbarkeit gewährleistet ist.
Beanstandungen und Reklamationen
Alle Beanstandungen und Reklamationen müssen dokumentiert werden. Im Rahmen einer geordneten Bearbeitung müssen mögliche Fehlerursachen und Maßnahmen zur zukünftigen Fehlervermeidung dokumentiert werden. Alle Beteiligten sind über die Reklamationen und die zu ergreifenden Maßnahmen zur Fehlervermeidung zu unterrichten.
Transport und Versand
Während des Transportes müssen die Arzneimittel vor unberechtigtem Zugriff geschützt sein, die ordnungsgemäßen Lagerungsbedingungen müssen gewährleistet sein und die Bestimmungen des Datenschutzes müssen eingehalten werden.
Entsorgung
Bei der Entsorgung der Blister und mit personenbezogenen Daten versehenen Arzneimittel und weiteren Dokumente sind die abfallrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Länder sowie der betreffenden Einrichtungen zu beachten.
Literaturverzeichnis
AMG; http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/BJNR024480976.html
ApoG; https://www.gesetze-im-internet.de/apog/
ApBetrO; https://www.gesetze-im-internet.de/apobetro/
AMVV; https://www.gesetze-im-internet.de/amvv/
AMWHV; http://www.gesetze-im-internet.de/amwhv/BJNR252310006.html
Kwaliteitsnorm Geautomatiseerde Geneesmiddeldistributie Systemen, Juni 2011; http://www.knmp.nl/downloads/organisatie-regelgeving/organisatie-regelgeving-normen-en-richtlijnen/kwaliteitsnorm-geautomatiseerde-geneesmiddeldistributie-systemen.pdf
Aide–mémoire 07120201 „Maschinelles, patientenindividuelles Verblistern von Arzneimitteln“ der AATB der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG), 2010; http://www.gmp-compliance.org/guidemgr/files/ZLG_2010_AIDE_MEMOIRE_07120201_VERBLISTERN.PDF
AM-Info Datenbank der ADKA e. V.; DABO Veröffentlichung in Planung
Closed Loop Medication Management, Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus, Baehr, M. und Melzer, S., MWV 2018
*S. Schlosser et al. Unit-Dose-Versorgung in deutschen Krankenhäusern 2013; Krankenhauspharmazie 2014;35:35–44.
**M. Baehr et al. Kopplung von elektronischer Verordnung und patientenorientierter Logistik; Krankenhauspharmazie 2014;35:110–7.
V Verabschiedung der Leitlinie
Verabschiedet vom ADKA-Vorstand bei der Sitzung am 16. Juni 2020
Für die Expertengruppe: Swantje Eisend, UK-SH Campus Kiel, Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel, E-Mail: swantje.eisend@uksh.de
Krankenhauspharmazie 2021; 42(12):509-514