Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Wie lautet die Zulassung?
Dapagliflozin (Forxiga®) ist bei erwachsenen Patienten indiziert zur Behandlung von unzureichend kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 in Ergänzung zu Diät und Bewegung
- als Monotherapie, wenn Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit als ungeeignet erachtet wird
- zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2
Die Fixkombination Dapagliflozin/Metformin (Xigduo®) ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 als Ergänzung zu Diät und Bewegung
- wenn der Blutzucker mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin allein nicht ausreichend kontrolliert wird
- in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin, wenn der Blutzucker mit Metformin und diesen Arzneimitteln nicht ausreichend kontrolliert wird
- bei Patienten, die bereits mit der Kombination aus Dapagliflozin und Metformin als separate Tabletten behandelt werden
Wie lautet der Beschluss des G-BA?
- Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, die eine weitere Medikation zur Behandlung ihrer kardiovaskulären Risikofaktoren erhalten, gibt es einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen (außer als Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit)
- Bei Patienten ohne hohes kardiovaskuläres Risiko und für die Monotherapie mit Dapaglifozin bei Metformin-Unverträglichkeit ist ein Zusatznutzen nicht belegt
Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?
Die einzelnen Vergleichstherapien richteten sich nach bereits erfolgten Vortherapien (eine, mindestens zwei oder Insulin mit Metformin) sowie einem bestehenden kardiovaskulären Risiko. Definiert wurden je nach Situation:
- ein Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimepirid) allein oder
- Metformin kombiniert mit Sulfonylharnstoff, Empagliflozin bzw. Liraglutid
- Metformin in Kombination mit Sulfonylharnstoff, Empagliflozin oder Liraglutid
- Humaninsulin in Kombination mit Metformin, Empagliflozin oder Liraglutid
- Humaninsulin allein, wenn die Kombinationspartner unverträglich oder kontraindiziert oder nicht ausreichend wirksam waren
- Optimierung des Humaninsulinregimes (ggf. mit Metformin, Empagliflozin oder Liraglutid)
Wie ist die Studienlage?
Zur Bewertung der glykämischen Wirksamkeit und Sicherheit von Dapagliflozin wurden 14 doppelblinde, randomisierte, kontrollierte klinische Studien mit 7056 Personen mit Typ-2-Diabetes durchgeführt; 4737 der Patienten erhielten Dapagliflozin. Zur Beurteilung der Wirkung auf kardiovaskuläre und renale Ereignisse wurde eine kardiovaskuläre Outcome-Studie (DECLARE) mit Dapagliflozin 10 mg im Vergleich zu Placebo mit 17 160 Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus mit oder ohne bestehende kardiovaskuläre Erkrankung durchgeführt. In DECLARE-TIMI 58 waren erwachsene Patienten eingeschlossen, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen.
Warum hat der G-BA so entschieden?
Die erste frühe Nutzenbewertung erfolgte bereits 2012, eine erneute Nutzenbewertung 2018. 2019 erfolgte eine Neubewertung aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Für die Nutzenbewertung wurden vor allem die Ergebnisse der Studie DECLARE-TIMI 58 vorgelegt. Nachträglich eingereichte Daten aus einer Literaturrecherche beinhalteten keine für die Nutzenbewertung geeigneten Studien. Es konnte nicht sichergestellt werden, dass die Suchergebnisse vollständig waren.
Da in DECLARE-TIMI 58 nur Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersucht wurden, ließen sich auch in der neuen Nutzenbewertung nur für diese Patientengruppe Aussagen treffen.
Die vorgelegten Studiendaten weisen Unsicherheiten auf:
- Vor allem im Vergleichsarm hätte die Therapieintensivierung weiter optimiert werden können.
- Zur Beurteilung des Zusatznutzens der fixen Kombination aus Dapagliflozin/Metformin ergaben sich Unsicherheiten in Bezug auf die Dosierung gemäß Zulassung, da die Arzneimittel im Rahmen der Studie als separate Tabletten verabreicht wurden.
- Die Patientengruppen entsprachen nicht den vom G-BA festgelegten Gruppen.
In der Studie wurde zudem nur ein Bruchteil der Patienten mit Dapagliflozin ohne weitere antidiabetische Therapie behandelt und es ist unklar, inwieweit das Zulassungskriterium „Metformin-Unverträglichkeit“ berücksichtigt wurde.
Eine weitere Fragestellung, die in der früheren Nutzenbewertung nicht beantwortet werden konnte, betraf die Gesamtrate unerwünschter Ereignisse (UE). Die Daten zu Nebenwirkungen umfassen nun zwar einen längeren Zeitverlauf, dem G-BA bzw. dem IQWiG reichten die vorgelegten Daten jedoch erneut nicht aus, da im Rahmen der Studie nur schwerwiegende oder zum Abbruch der Medikation führende UE dokumentiert wurden.
In der Kategorie Mortalität und Morbidität für den Endpunkt „kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt oder ischämischer Schlaganfall“ und „kardiovaskulärer Tod“ zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.
Die Neubewertung ergab in Bezug auf unerwünschte Ereignisse für Dapagliflozin plus Standardtherapie im Vergleich zu Placebo plus Standardtherapie sowohl Vorteile (Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz, schwere Herzinsuffizienz, Nierenerkrankung, schwere, nicht tödliche unerwünschte Ereignisse, Blasenkarzinom) als auch Nachteile (Abbruch wegen Harnwegsinfektion oder Genitalinfektion, definitive diabetische Ketoazidose).
Für Dapagliflozin/Metformin plus Standardtherapie im Vergleich zu Placebo plus Standardtherapie ergaben sich überwiegend Vorteile.
In der Gesamtschau wurde daher für die Patientengruppen, für die überhaupt ein Vergleich möglich war, ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen von Dapagliflozin in Kombination mit anderen Antidiabetika gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie abgeleitet.
Ein Zusatznutzen von Dapagliflozin als Monotherapie gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie konnte nicht belegt werden, ebenso wenig wie Aussagen zu Patienten ohne hohes kardiovaskuläres Risiko möglich waren.
Kommentar
Diese erneute Nutzenbewertung von Dapagliflozin mit und ohne Metformin zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, Aussagen zum Zusatznutzen zu treffen, wenn in den zulassungsrelevanten Studien zum einen
- nicht die später vom G-BA geforderten Patientengruppen und Vergleichsmedikationen gewählt werden und zum anderen
- die erhobenen Daten nicht den Regularien des AMNOG entsprechen.
Zum Teil ist dieser Missstand sicher den unterschiedlichen Anforderungen zur Zulassung auf europäischer Ebene und der Nutzenbewertung auf nationaler Ebene geschuldet.
Quellen
G-BA-Beschluss vom 19.12.2019. Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII: Dapagliflozin (Neubewertung aufgrund neuer Wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diabetes mellitus Typ 2). www.g-ba.de/beschluesse/4088/ (Zugriff am 4. Februar 2020).
G-BA-Beschluss vom 19.12.2019. Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII: Dapagliflozin/Metformin (Neubewertung aufgrund neuer Wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diabetes mellitus Typ 2). www.g-ba.de/beschluesse/4089/ (Zugriff am 4. Februar 2020).
Krankenhauspharmazie 2020; 41(03):117-118