Antibiotic Stewardship nach Feierabend?


Dr. Matthias Fellhauer

Dr. Matthias Fellhauer [Foto: privat]

Das Antibiotic Stewardship (ABS) boomt. Zumindest hat man den Eindruck, wenn man die rasant zunehmende Zahl der dazu veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten betrachtet. Das Thema ist brisant und tatsächlich wurde auch schon Einiges erreicht: Es gibt eine vielbeachtete deutsch-österreichische S3-Leitlinie [1] und mehrere hundert Krankenhäuser nehmen am ADKA-if-RKI-Projekt für die Surveillance des stationären Antibiotikaverbrauchs teil. Die ABS-Fortbildung unter der Schirmherrschaft der DGI (Deutsche Gesellschaft für Infektiologie) ist ein Erfolgsmodell und weiterhin sehr gefragt. Dies alles sind Indizien dafür, dass das Antibiotic Stewardship nun auch in Deutschland angekommen ist und zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Protagonisten dieser Entwicklung, namentlich Prof. Winfried V. Kern und Dr. Dr. Katja de With, verdienen Lob und Anerkennung für ihren Einsatz – ohne ihre Initiative und unermüdliche Arbeit wären diese Fortschritte nicht erreicht worden. Viele engagierte Krankenhausapotheker tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei – vor Ort in den Krankenhäusern, in der Leitliniengruppe, als Kooperationspartner beim Surveillanceprojekt, als Dozenten in der ABS Fortbildung oder als Mitglied der Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie).

Das ABS befindet sich in Deutschland auf einem guten Weg. Dies zeigen auch die Ergebnisse der in diesem Heft publizierten aktuellen Umfrage des ADKA-Ausschusses für antiinfektive Therapie: Bereits 51% der teilnehmenden Häuser mit mehr als 800 Betten geben an, ein ABS-Team als wichtigen Strukturindikator des Antibiotic Stewardship in ihren Kliniken etabliert zu haben. Die Umfrage macht aber auch deutlich, woran es im Moment noch fehlt: Nur rund 13% der Teilnehmer der Umfrage geben an, dass für das ABS personelle Ressourcen bereitgestellt werden.

Man darf daraus schließen, dass ABS-Aktivitäten bisher vorwiegend nach Feierabend stattfinden. Getragen von Ärzten, Apothekern, Mikrobiologen und Hygienikern, die sich aus Überzeugung für die rationale Anwendung von Antibiotika im Krankenhaus einsetzen und dies zusätzlich zu ihrer täglichen Routine leisten. Für eine flächendeckende und leitliniengerechte Umsetzung des ABS dürfte das jedoch nicht reichen. Beispielhaft seien die in der Leitlinie als Kernaktivität deklarierten proaktiven Antiinfektiva-Verordnungsanalysen bzw. Antiinfektiva-Visiten genannt: Sie sind zeitintensiv und werden ohne zusätzliche personelle Ressourcen nicht zu leisten sein. Da sie mit Blick auf die Qualität der antiinfektiven Therapie als besonders effektive ABS-Maßnahme gelten und u.a. die Einhaltung von lokalen Leitlinien gewährleisten [1], wäre es im Sinne eines wirksamen ABS sehr nachteilig, wenn man aus personellen Gründen darauf verzichten müsste.

Wenn ABS in Deutschland konsequent umgesetzt werden soll, bedarf es einer Personalausstattung, wie sie in der S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ [1] mit mindestens 0,5 Vollzeitstellen/250 Krankenhausbetten dargelegt ist. Während die personelle Ausstattung im Bereich der Krankenhaushygiene (Mindestzahl der zu beschäftigenden Hygienefachkräfte) inzwischen gesetzlich vorgegeben ist, fehlt dies bisher für das Antibiotic Stewardship. Solange ABS aber nur nach Feierabend stattfinden kann, wird es auf wackligen Beinen stehen.

1. S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/092-001.html (Zugriff am 27.04.2015)

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