G-BA-Beschluss

Mepolizumab (Neues Anwendungsgebiet: Hypereosinophiles Syndrom)


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Das hypereosinophile Syndrom (HES) ist definiert als persistierende Vermehrung der eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut und Knochenmark in Verbindung mit einem breiten Spektrum klinischer Manifestationen, die als Folge eosinophiler Gewebe-/Organschädigung auftreten. Klinisch ähnelt das HES Autoimmunerkrankungen wie der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA). Die Prognose hängt von den begleitenden Organkomplikationen ab: Zwar kann jedes Organ involviert sein, typischerweise sind jedoch Herz, Lunge, Milz, Haut und das Nervensystem betroffen. Vor allem eine kardiale Beteiligung erhöht die Sterblichkeit.

Den Leitlinien [1] zufolge wird in erster Linie eine Therapie mit Glucocorticoiden (GC) empfohlen. Zudem können Immunsuppressiva (Azathioprin, Interferon α oder Ciclosporin A), eine myelosuppressive Therapie mit Hydroxycarbamid oder Imatinib angewandt werden. Letzteres ist für Patienten mit FIP1L1-PDGFRα-Umlagerung zugelassen. Seit einiger Zeit ist zudem der Anti-Interleukin(IL)-5-Inhibitor Mepolizumab (Nucala®, GSK) zur Therapie zugelassen – unabhängig vom FIP1L1-PDGFRα-Status.

Wie lautet die Zulassung?

Mepolizumab ist angezeigt als Zusatzbehandlung erwachsener Patienten mit unzureichend kontrolliertem HES ohne erkennbare, nichthämatologische sekundäre Ursache. Außerdem ist es zugelassen als Zusatztherapie mit intranasalen Glucocorticoiden zur Behandlung Erwachsener mit schwerer chronischer Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP), die nicht ausreichend kontrolliert werden kann, als Zusatzbehandlung für Patienten ab 6 Jahren mit schubförmig remittierender oder refraktärer EGPA sowie bereits seit 2016 für Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma.

Mepolizumab ist für die Langzeitbehandlung bestimmt. Ob die Therapie fortgesetzt werden soll, sollte mindestens einmal jährlich überprüft werden. Die Einleitung und Überwachung der Behandlung sollten Ärzte durchführen, die Erfahrung in der Therapie des HES haben.

Wie lautet der Beschluss des G-BA?

Im neuen Anwendungsgebiet HES besteht ein Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen.

Für die weiteren neuen Anwendungsgebiete CRSwNP und EGPA konnte kein Zusatznutzen festgestellt werden.

Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?

Als zweckmäßige Vergleichstherapie wurde eine Therapie nach ärztlicher Maßgabe festgelegt.

Wie ist die Studienlage?

Für die Bewertung standen die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie 200622 (NCT02836496) zur Verfügung [2]. 108 Patienten (≥ 12 Jahre) mit FIP1L1-PDGFRα-negativem HES erhielten 1 : 1 randomisiert 300 mg Mepolizumab alle vier Wochen oder Placebo, jeweils zusätzlich zur Standardtherapie. Eingeschlossen wurden Patienten, die innerhalb von zwölf Monaten vor Studieneinschluss mindestens zwei Krankheitsschübe und innerhalb von vier Wochen vor Randomisierung einen Bluteosinophilenwert von > 1000 Zellen/µl aufwiesen. Patienten mit FIP1L1-PDGFRα-Umlagerung, lebensbedrohlichem HES oder lebensbedrohlicher Komorbidität des HES waren ausgeschlossen. Die Studie lief 32 Wochen, primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit Krankheitsschub (HES-Schub).

Im Gesamtüberleben sowie in den Endpunkten Fatigue und Schwere der HES-Symptome gab es keine statistisch signifikanten oder klinisch relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Endpunktkategorie Morbidität (klinisch manifestierte HES-Schübe und Aktivitätsbeeinträchtigung) zeigte sich jeweils ein signifikanter Vorteil zugunsten von Mepolizumab: ≥ 1 HES-Schub erlitten 14 (26 %) versus 28 Patienten (52 %).

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität war unter Mepolizumab besser als unter Placebo. Es gab bei ähnlich vielen Patienten unerwünschte Ereignisse (48/54 [89 %] vs. 47/54 [87 %]). Am häufigsten wurden unter Mepolizumab Kopfschmerzen (13 %), Harnwegsinfektionen (9 %), Reaktionen an der Injektionsstelle und Fieber (jeweils 7 %) berichtet.

Warum hat der G-BA so entschieden?

Es lässt sich insgesamt ein beträchtlicher Zusatznutzen von Mepolizumab als Zusatzbehandlung gegenüber einer Therapie nach ärztlicher Maßgabe ableiten. Das endpunktübergreifende Verzerrungspotenzial wird als niedrig eingestuft. Allerdings verbleiben Unsicherheiten bei der Umsetzung der zweckmäßigen Vergleichstherapie: Im Vergleichsarm erhielt ein Viertel der Patienten weder orale GC noch zytotoxische/immunsuppressive Therapien und es lagen keine Informationen vor, ob und in welchem Ausmaß nichtsystemische GC eingesetzt wurden. Daher leitet der G-BA für die Aussagesicherheit einen Anhaltspunkt ab.

Für die weiteren neuen Anwendungsgebiete lagen keine für die Nutzenbewertung geeigneten Daten vor.

Fazit

Mit Mepolizumab steht seit Herbst 2021 eine gut verträgliche Therapieoption für Patienten mit unkontrolliertem HES zur Verfügung, die Krankheitsschübe bei FIP1L1-PDGFRα-negativen Patienten reduziert. Sollte es sich bestätigen, dass sich unter dem IL-5-Inhibitor der Langzeit-Glucocorticoid-Verbrauch senken lässt, wäre das ein weiterer Vorteil für die Patienten.

Quellen

G-BA. Beschluss zu Mepolizumab (Neues Anwendungsgebiet: Hypereosinophiles Syndrom) vom 19. Mai 2022.

G-BA. Tragende Gründe zum Beschluss zu Mepolizumab (Neues Anwendungsgebiet: Hypereosinophiles Syndrom) vom 19. Mai 2022.

Literatur

1. Metzroth G, et al. Myeloische Neoplasien mit Eosinophilie. Onkopedia. November 2020.

2. Roufosse F, et al. Efficacy and safety of mepolizumab in hypereosinophilic syndrome: A phase III, randomized, placebo-controlled trial. J Allergy Clin Immunol 2020;146:1397–405.

Krankenhauspharmazie 2022; 43(07):295-296