Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Wie lautet die Zulassung?
Der PD-L1-Inhibitor Durvalumab (Imfinzi) ist angezeigt bei erwachsenen Patienten
- als Monotherapie zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen, inoperablen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms, wenn der Tumor PD-L1 in ≥ 1 % der Tumorzellen exprimiert und die Krankheit nach einer platinbasierten Radiochemotherapie nicht fortgeschritten ist sowie
- in Kombination mit Etoposid und entweder Carboplatin oder Cisplatin zur Erstlinientherapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms im fortgeschrittenen Stadium (extensive-stage small cell lung cancer, ES-SCLC).
Wie lautet der Beschluss des G-BA?
Der Beschluss des G-BA bezieht sich auf das zweite, neue Anwendungsgebiet „Patienten mit ES-SCLC“. Es besteht ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen.
Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?
- Cisplatin plus Etoposid oder
- Carboplatin plus Etoposid oder
- Atezolizumab plus Carboplatin und Etoposid
Wie ist die Studienlage?
Grundlage für die Nutzenbewertung bildete die randomisierte, kontrollierte offene Phase-III-Studie CASPIAN.
Die Anwendung von Durvalumab erfolgte in der Dosierung von 1500 mg alle drei Wochen in Kombination mit Chemotherapie, gefolgt von der Anwendung als Monotherapie alle vier Wochen.
In der Hauptkohorte (globale Kohorte) wurden insgesamt 805 erwachsene Patienten mit ES-SCLC eingeschlossen und auf drei Studienarme randomisiert, wobei für die Bewertung gemäß Zulassung nur der Vergleich zwischen dem Arm „Durvalumab plus Chemotherapie“ und dem Kontrollarm „Chemotherapie“ relevant war. Die Patienten der globalen Kohorte waren im Mittel ca. 62 Jahre alt und 30 % waren weiblich. 268 Patienten erhielten Durvalumab in Kombination mit Chemotherapie und 269 Patienten Chemotherapie allein. Zusätzlich zur globalen Kohorte legte der pharmazeutische Unternehmer Daten aus einer chinesischen Kohorte mit identischem Studienprotokoll vor (61 versus 62 Patienten).
Die Bewertung des G-BA basierte auf einer metaanalytischen Zusammenfassung der Ergebnisse dieser beiden Kohorten. Das mediane Gesamtüberleben betrug 13,4 Monate unter Durvalumab versus 10,6 Monate in der Kontrollgruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,74; p < 0,001). Auch im progressionsfreien Überleben ergab sich ein Vorteil unter Durvalumab (HR 0,83; p = 0,027).
Die häufigsten Nebenwirkungen unter Durvalumab waren Neutropenie (49 %), Anämie (39 %), Übelkeit (34 %), Fatigue (32 %), Alopezie (31 %), Thrombozytopenie (21 %) und Leukopenie (20 %).
Warum hat der G-BA so entschieden?
Patienten, die Durvalumab erhielten, hatten einen Vorteil im Gesamtüberleben (Endpunktkategorie „Mortalität“). In den Endpunktkategorien „Morbidität“, „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ und „Nebenwirkungen“ ergaben sich keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede.
Unsicherheiten bestanden aufgrund des offenen Studiendesigns, des niedrigen Anteils an Patienten mit Hirnmetastasen, fehlender Daten zu symptomatischen Hirnmetastasen sowie der unterschiedlichen Zyklenzahl bei der Chemotherapie zwischen den Behandlungsarmen.
In der Gesamtschau sieht der G-BA daher einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen für Durvalumab in Kombination mit Chemotherapie gegenüber Chemotherapie.
Kommentar
In der Therapie von Patienten mit SCLC besteht ein hoher „unmet medical need“. Bei einem Drittel der Patienten liegt bei der Erstdiagnose ein fortgeschrittenes Stadium vor, die mediane Überlebenszeit beträgt dann etwa 9 bis 12 Monate [1]. Daher ist es erfreulich, wenn zusätzlich zu dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab neue Therapieoptionen über Bestrahlung und Chemotherapie hinaus zur Verfügung stehen, die zudem einen Zusatznutzen zugesprochen bekommen.
Quellen
G-BA. Beschluss über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL). Durvalumab (neues Anwendungsgebiet: kleinzelliges Lungenkarzinom, Erstlinie, Kombination mit Etoposid und entweder Carboplatin oder Cisplatin). 1. April 2021.
G-BA. Tragende Gründe zum Beschluss. Durvalumab (neues Anwendungsgebiet: kleinzelliges Lungenkarzinom, Erstlinie, Kombination mit Etoposid und entweder Carboplatin oder Cisplatin). 1. April 2021.
Literatur
1. Wolf M, et al. Onkopedia-Leitlinie Lungenkarzinom, kleinzellig (SCLC). Stand September 2019.
Krankenhauspharmazie 2021; 42(05):218-218