Europäische Vernetzung in der Corona-Pandemie


Dr. Torsten Hoppe-Tichy

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist ja ganz klar: Corona ist eine Erfindung von Bill Gates und Angela Merkel – die beiden sind ja auch Reptiloide, die uns allen einen Chip einimpfen wollen; und die Erde ist flach, mit Eis drum herum.

Im Ernst: Wir können es uns leisten, über solche abstrusen Verschwörungstheorien zu schmunzeln (oder eben massiv zu ärgern), weil es uns in Deutschland am Beginn der Pandemie gelungen ist, das Infektionsgeschehen mit den getroffenen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Nur dadurch befinden wir uns überhaupt in der Lage, über Lockerungen zu reden. Bei uns ist es eben in keinem einzigen Klinikum dazu gekommen, dass eine Überlastung durch COVID-19-Patienten entstand. Mir wurde von einer Kollegin aus Madrid berichtet, dass in „Höchstzeiten“ etwa 600 COVID-19-Patienten in den Betten lagen, dass nicht genug Arzneimittel und Schutzausrüstung vorhanden waren, dass ältere Patienten in Altenheime verlegt werden mussten und dass sowohl im Krankenhaus als auch in den Altenheimen „die Patienten wie die Fliegen gestorben“ seien und auch Ärzte und Pflegekräfte in höherer Zahl unter den Opfern waren. Solch eine Extremsituation hatten wir nicht, eben weil in Deutschland schnell und gut gehandelt wurde, weil wir ein gutes und leistungsfähiges Gesundheitssystem haben und weil wir Katastrophenmanagement können. Auch die gute Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und dem BMG (man denke hier an die Aktion Semmelweiss und die Bereitschaft der „Industrie“, in großen Mengen Alkohol bereitzustellen, oder an die zentrale Beschaffung und Verteilung von bestimmten Arzneimitteln) war ein Faktor.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass es nichts zu verbessern gäbe. So ist die Trennung von ambulant und stationär in solchen Katastrophenlagen sicherlich noch weniger hilfreich als in normalen Zeiten. Für die Entlastung des Krankenhaussystems war es sehr hilfreich, die Patienten möglichst lange zuhause zu lassen und dort zu versorgen – ärztlich, aber eben auch pharmazeutisch. Hier waren die Corona-Taxis, die im Rhein-Neckar-Kreis eingeführt wurden und es bis in die New York Times (The New York Times vom 04.04.2020; https://www.nytimes.com/2020/04/04/world/europe/germany-coronavirus-death-rate.html) geschafft haben, ein Modell, die Grenze ambulant-stationär zum Wohle der Patienten und der Allgemeinheit zu überwinden. „Deutschlands Erfolg basiert auf der Tatsache, Menschen vom Krankenhaus fernzuhalten, erklärte Professor Reinhard Busse, Fachgebietsleiter Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. „Dies sei ein Grund, warum in Deutschland verhältnismäßig weniger Menschen an dem Coronavirus starben.“ (Ärzte Zeitung online vom 28.5.2020). Das ist natürlich für uns als Krankenhausapotheker auf den ersten Blick vielleicht etwas schwer verdauliche Kost. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch, dass wir uns auf die wirklich kranken Patienten konzentrieren konnten.

Außerdem war die Versorgung mit Arzneimitteln im niedergelassenen Bereich nicht immer sichergestellt und wir konnten hier überbrückend tätig werden. Viele Kollegen haben Händedesinfektionsmittel auch in andere Bereiche (Kitas, Schulen, Gesundheitsämter, niedergelassene Apotheke, um nur einige dieser Bereiche zu nennen) als die Krankenhäuser abgegeben, teilweise war dies sogar eine Bedingung für Alkoholspenden aus der lokalen Industrie. Auch eigenhergestellte Arzneimittel für bestimmte Patientengruppen mussten wegen Lieferengpasssituationen mitgegeben werden.

Was können wir aus den anderen europäischen Ländern lernen? In einzelnen Ländern scheint man auf eine zentrale Lagerhaltung und Beschaffung für bestimmte Arzneimittel, aber auch Medizinprodukte, zu setzen, wenn man eben keine Herstellung in Europa mehr hat. Hierbei wurden dann die essenziellen Produkte definiert. Eine Verteilung hat dann auf Basis der gemeldeten COVID-19-Fälle in den Krankenhäusern stattgefunden. In zumindest einem Land denkt man wohl über die Schaffung von Schwerpunktkrankenhäusern, dann also wirklich „Corona-Krankenhäusern“, nach. Alle mahnen an, dass das Informationsmanagement eine enorm wichtige Rolle spielen muss. Föderale Gedanken, so beschrieb es mir eine italienische Kollegin, müssen unbedingt in den Hintergrund treten. Es darf nicht sein, dass ein Bezirk überlastet alleine gelassen wird, damit ein anderer sich mit der Beherrschung des Infektionsgeschehens rühmen kann – Politik eben. Es muss ferner besser darauf geachtet werden, dass wichtige andere, teilweise Grunderkrankungen nicht „hinten runter fallen“, wie dies auch bei uns von Onkologen, Kardiologen und Neurologen massiv angemahnt wurde.

Und noch ein für Krankenhausapotheken spezifischer Punkt: Wir haben einen hervorragenden Vernetzungsgrad über adka-intern. Klar gibt es da auch mal Beiträge, über die sich der Eine oder die Andere aufregt. Aber die Dynamik, mit der hier Literatur und Wissen zum Sars-CoV-2-Geschehen bereitgestellt wurde, alles in Eigeninitiative und mit hoher Motivation, war überragend. Ich als Europäer würde mir wünschen, dass wir dies auch europäisch vorantreiben. Sicherlich noch ein Weg, aber zumindest ein Anfang wurde mit dem „EAHP-COVID-19 Resource Centre“ auf der EAHP-Homepage gemacht. Hier werden wir als EAHP-Delegierte und -Beauftragte nicht müde werden, weitere Schritte in Richtung einer besseren europäischen Vernetzung der Krankenhausapotheker zu gehen.


Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der KPH zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber KPH-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren