Magdalene Linz, Hannover
Im Auftrag der Bundesregierung wurde in den Jahren 2015/16 durch das Institut für Patientensicherheit der Universität Bonn eine Befragung von Krankenhäusern (n = 418) zum Thema „Einführungsstand des klinischen Risikomanagements“ durchgeführt. Die Daten des Jahres 2015 wurden verglichen mit denen des Jahres 2010. Das Ergebnis war eindeutig: Im Gegensatz zu Bereichen, die sich in der Zwischenzeit verbessert hatten, stand das Thema „Arzneimitteltherapie“ als einer der Risikoschwerpunkte weiterhin an zweiter Stelle nach dem Thema „Schnittstellen“.
Die Arzneimitteltherapie im Krankenhaus ist also weiterhin ein Hochrisikoprozess, durch den zahlreiche Komplikationen und Todesfälle verursacht werden, die internationalen Studien zufolge in etwa zur Hälfte vermeidbar wären. Der Einsatz von Apothekern auf Station hat sich international bewährt. Umso unverständlicher ist die Tatsache, dass Deutschland mit dem Verhältnis von 0,4 Apothekern auf 100 Krankenhausbetten in Europa fast das Schlusslicht bildet, wohingegen Großbritannien beispielsweise 4,5 Apotheker bei derselben Bettenzahl einsetzt.
Es bedurfte leider der beispiellosen Tötungsserie von Patienten durch den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel, um vonseiten der Politik, in diesem Fall durch die niedersächsische Landesregierung, die fachliche Kompetenz der Apotheker als Kriterium für Patientensicherheit und Qualitätsverbesserung bei der Arzneimitteltherapie zu erkennen und am 24. Oktober 2018 durch die Änderung des Krankenhausgesetzes den Einsatz von Apothekern auf Station für die niedersächsischen Krankenhäuser verpflichtend zu beschließen. Dies stellt einen ganz wichtigen Meilenstein bei der Anerkennung der Notwendigkeit der verstärkten Einbeziehung apothekerlichen Sachverstands im Gesundheitswesen dar. In Zukunft gilt das hoffentlich auch im ambulanten Bereich. Die Novellierung geschah trotz massiven Widerstands der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), die behauptete, es werde nicht genügend Apotheker für diese Aufgabe geben und eine Finanzierung der zusätzlichen Kosten für die Krankenhäuser sei nicht möglich ohne Änderung des DRG-Vergütungssystems.
Die Tatsache, dass bei den bereits erfolgten Stellenausschreibungen die Zahl qualifizierter Bewerber pro Stelle bis zu 60 betrug, zeigt die Attraktivität und entkräftet die Befürchtung der NKG. Die Frage der Finanzierung ist durchaus berechtigt und wurde auch durch einen einstimmigen Beschluss des Bundesrates aufgenommen, der die Bundesregierung auffordert, zu prüfen:
Gibt es die Möglichkeit der Refinanzierung des Einsatzes von Stationsapothekern im Krankenhaus als Teil der Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes im SGB V oder einer anderen Rechtsvorschrift?
Leider sah bisher der Bundesminister für Gesundheit keinen Grund zur Unterstützung für die Etablierung von Stationsapothekern durch entsprechende gesetzliche Änderungen – weder bei der Etablierung als Qualitätskriterium zur Stärkung der Patientensicherheit, obwohl die Notwendigkeit der zügigen Umsetzung des Aktionsplans Arzneimitteltherapiesicherheit der Bundesregierung Inhalt des Koalitionsvertrages aus dem Jahr 2018 ist, noch bei der Frage der Refinanzierung und schob den Ball zurück in das Feld der Bundesländer.
Auch wenn konkrete Beispiele aus einer Reihe von Kliniken zeigen, dass der Einsatz von Apothekern auf Station auch unter wirtschaftlichen Aspekten für sie von Vorteil war, kann es nicht sein, dass zwingend eine Refinanzierung der zusätzlichen Apothekerstellen durch Einsparung von Arzneimitteln erwartet wird. Wenn es um Sicherheit und Qualität geht, muss das auch Geld kosten dürfen. Dies war eines meiner Argumente in der politischen Diskussion, das sehr wohl von den verantwortlichen Politikern akzeptiert wurde.
Es hat sich gezeigt, gerade in Bereichen wie Intensivmedizin und (Stammzell-)Transplantation, aber auch auf chirurgischen, neurologischen, onkologischen und geriatrischen Stationen, wie wichtig und sinnvoll der Einsatz von Apothekern auf Station ist, wenn es um individuelle Therapiekonzepte bei Multimorbiden mit zahlreichen eingesetzten Arzneimitteln geht zur Vermeidung von Nebenwirkungen, Interaktionen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen, angepasster Dosierung bei Organinsuffizienz, sinnvollen Applikationsformen sowie dem richtigen Zeitpunkt der Applikation.
Erfreulicherweise gibt es zunehmend Kliniken, die auch bereits ohne konkrete Klärung der Refinanzierung den Einsatz von Apothekern auf Station in größerem Maße praktizieren.
Die Stellungnahme des Sprechers der Universitätsmedizin Göttingen, Stefan Weller, bringt es auf den Punkt: „Die Universitätsmedizin begrüßt die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Einführung von Stationsapothekern. Sie leistet einen Beitrag zur weiteren Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit und trägt somit zur Erhöhung der Patientensicherheit und dem weiteren Ausbau der Sicherheitskultur im Krankenhaus als Hochrisiko- und Hochsicherheitsorganisation bei.“
Dem ist nichts hinzuzufügen, es müssen allerdings endlich auch die notwendigen Konsequenzen folgen!
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