Prof. Dr. Martin J. Hug, Freiburg
Jetzt ist es also soweit gekommen – der „FMD-Day“ fand am 9. Februar statt, und wir Krankenhausapothekerinnen und -apotheker müssen ebenso wie unsere Kolleginnen und Kollegen in den öffentlichen Apotheken das Beste daraus machen. Die Vorgaben der Falsified Medicines Directive und der daraus abgeleiteten delegierten Verordnung 2016/161 EU (del. VO) bedeuten für viele Pharmazeuten einen deutlichen technischen, personellen und zeitlichen Mehraufwand. Noch kann niemand beurteilen, ob dadurch künftig Arzneimittelfälschungen wirksam verhindert werden. Es ist bekannt, dass Letztere ohnehin nur äußerst selten innerhalb der legalen Vertriebskette vorgefallen sind. Gleichwohl sind wir zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags verpflichtet, und wie die aktuellen Zahlen der Stakeholder-Organisation securPharm e. V. zeigen, haben fast alle Krankenhausapotheken die dazu nötigen Schritte unternommen. Nun gilt es den Aufwand in einem für jede Einrichtung erträglichen Rahmen zu halten.
Viele rechtliche Fragen zur Umsetzung der del. VO sind bis zum heutigen Tag unbeantwortet geblieben. Dies eröffnet den Krankenhausapotheken vielleicht die Möglichkeit, die Spielräume der gesetzlichen Rahmenbedingungen auszuloten. Dazu ist ein gesundes Maß an Pragmatismus, aber auch die Bereitschaft, mit der zuständigen Aufsichtsbehörde in Dialog zu treten, notwendig. Ich bin überzeugt, dass in den kommenden Monaten die unterschiedlichsten Probleme auftreten werden, für die prozedurale und technische Lösungen gefunden werden. Aber durch dank der bemerkenswert guten Vernetzung der Mitglieder unseres Bundesverbandes wird das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden müssen. Es ist der heterogenen Krankenhauslandschaft Deutschlands geschuldet, dass keine allgemeingültige Empfehlung existiert, wo, wie und wann die Apotheke die in der del. VO vorgeschriebene Überprüfung und Deaktivierung der Sicherheitsmerkmale am besten durchführt. Unsere eigenen Untersuchungen haben gezeigt, dass der Zeitbedarf pro manuellem Scanprozess unabhängig davon ist, ob dieser beim Wareneingang oder dem Warenausgang durchgeführt wird. Die Ertüchtigung und Nutzung automatischer Kommissioniersysteme stellt hierbei sicher eine elegante, aber leider auch kostspielige Erleichterung dar. Aber die Robotik – sofern vorhanden – lässt sich eben nicht auf alle Arzneimittelpackungen im Sortiment der Krankenhausapotheke anwenden. Kühlware, Betäubungsmittel, Arzneimittel zur Verarbeitung in der Produktion und großvolumige Palettenware erfordern andere – häufig nicht zu automatisierende – Prozesse.
Aber ist es nicht vielleicht besser, erst einmal abzuwarten? Sicherlich, die technischen Mindestanforderungen zur Überprüfung des auf den Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel gedruckten Matrixcodes müssen vorhanden sein. Informationen zu geeigneten Handscannern, Software und zur Registrierung bei der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) sind im Sommer 2018 an die ADKA-Mitgliedschaft versandt worden. Auch wenn manche Krankenhausapotheken erst wenige Wochen oder sogar nur Tage vor dem 9. Februar 2019 ihr elektronisches Zertifikat von der NGDA erhalten haben, scheinen nun fast alle am Start zu sein. Wie bei jeder Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist ein sinnvoller und unerlässlicher Anfang mit einer Prozessbeschreibung im Qualitätsmanagementsystem gemacht. Auf Basis der dabei erstellten Dokumente sind die Mitarbeiter zu schulen und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu implementieren. Uns kommt dabei zugute, dass die Zahl der mit Sicherheitsmerkmalen ausgestatteten Arzneimittelpackungen in den ersten Wochen und Monaten nach Inkrafttreten der del. VO noch überschaubar sein wird. Bestandsware ohne Sicherheitsmerkmale darf weiterhin ohne Überprüfung in den Verkehr gebracht werden und für bereits entsprechend gekennzeichnete Packungen wurden Algorithmen gefunden, die eine Verifikation ohne Fehlermeldung ermöglichen sollen. Leider werden wir erst in den kommenden Wochen und Monaten die Möglichkeit haben, die Eignung dieser technischen Routinen zu überprüfen. In dieser Zeit sind auch neue technische Entwicklungen zur Prozesserleichterung zu erwarten. Wir sollten aber die pharmazeutischen Unternehmen in die Pflicht nehmen, jede Lieferung mit Ware, die Sicherheitsmerkmale trägt, entsprechend zu kennzeichnen.
Während der vergangenen acht Jahre haben sich viele Mitglieder unseres Bundesverbands Gedanken zu Prozesserleichterungen, technischen Möglichkeiten und Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen gemacht. Leider waren nicht alle Vorschläge, die die ADKA gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) dem Gesundheitsministerium unterbreitet hatte, auf offene Ohren gestoßen. Dennoch konnte mit der elektronischen warenbegleitenden Datenlieferung (WBDL) ein rechtskonformer Weg gefunden werden, die Verarbeitung großer Stückzahlen zu vereinfachen. Bei diesem Verfahren übernimmt der Lieferant vor dem Versand die Erfassung der Matrixcodes und übermittelt diese auf elektronische Weise an den Kunden. Die Krankenhausapotheke kann dann die Seriennummern in ein Softwaresystem einlesen und über dieses alle in der jeweiligen Lieferung enthaltenen Codes überprüfen und abmelden, ohne dazu eine einzige Packung physisch abscannen zu müssen. Ein unter der Leitung der DKG durchgeführtes Pilotprojekt konnte zeigen, dass dieses Verfahren prinzipiell funktioniert und tatsächlich eine spürbare Erleichterung darstellen kann.
Für uns als Kunden, ist es jetzt wichtig, diese technische Lösung gemeinsam mit unseren Lieferanten voranzutreiben. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Vertreter der Pharmaverbände jeglicher Form einer Aggregation von Packungscodes gegenüber kritisch eingestellt sind oder dies öffentlich ablehnen. Im Gespräch mit Mitarbeitern der Pharmafirmen ergibt sich aber ein ganz anderes Bild. Einige Unternehmen haben bereits ihre Bereitschaft ausgesprochen, künftig eine WBDL anzubieten, andere versprechen, einen entsprechenden Service in absehbarer Zeit zu entwickeln. Es ist nun an uns, die WBDL im Rahmen der Verhandlungen mit unseren Lieferanten aktiv einzufordern. Wir sollten aber auch die Softwareunternehmen in die Pflicht nehmen, die Verarbeitung der auf diesem Weg zur Verfügung gestellten Codes zu ermöglichen.
Bei all dem sollten wir aber unser oberstes Ziel nicht aus dem Auge verlieren: die Sicherstellung der bestmöglichen Arzneimitteltherapie für unsere Patienten. Denn am Ende sollen Gesetze den Menschen dienen und nicht umgekehrt.
[Foto: privat]
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