ADKA-Statement zum AMVSG und Lieferunfähigkeiten


Holger Hennig, Stuttgart, für den Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V.

Die Sicherstellung einer stets ausreichenden Arzneimittelversorgung und das Bemühen um die bestmögliche und sichere Arzneimitteltherapie der Krankenhauspatienten sind die gleichermaßen wesentlichen Ziele wie Motivatoren der über 2000 deutschen Krankenhausapothekerinnen und -apotheker für ihre tägliche Arbeit. Daher begrüßt der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. ausdrücklich die vom Gesetzgeber im Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (AMVSG) festgelegten Regelungen.

So ist die stärkere Berücksichtigung der Resistenzsituation bei der Bildung von Festbetragsgruppen für Antibiotika und andere Antiinfektiva sehr sinnvoll, um einen möglichst zielgerichteten Einsatz dieser wertvollen Therapeutika auch langfristig sicherzustellen. Denn das Bestreben aller mit Auswahl und Anwendung von Antiinfektiva befassten Fachkreise muss sein, die Wirksamkeit dieser Substanzen über einen langen Zeitraum zu erhalten, da mit der Verfügbarkeit neuer Wirkstoffe oder gar der Erschließung gänzlich neuer Wirkmechanismen nicht in ausreichendem Maße zu rechnen ist.

Auch das Verbot von Exklusivverträgen der Krankenkassen mit einzelnen Apotheken zur Versorgung der Patienten mit applikationsfertigen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie wird von der ADKA befürwortet. Schließlich erhält dieses Verbot die langjährig bewährten, regionalen Versorgungsstrukturen, die einzig sinnvoll und geeignet sind, auch auf kurzfristig notwendige und teilweise tagesaktuelle Änderungen der Therapie adäquat und ohne Qualitätseinbußen reagieren zu können.

Ein die Krankenhäuser und Krankenhausapotheken in den letzten Jahren aufs Äußerste belastendes Problem stellt die große Häufigkeit und Vielfalt von Lieferunfähigkeiten seitens der pharmazeutischen Unternehmer in Deutschland dar. Hier begrüßt die ADKA, dass der Gesetzgeber nun im Falle eines Versorgungsengpasses die Möglichkeit zur angemessenen, vorübergehenden Bevorratung von aus dem Ausland zu importierenden Arzneimitteln legitimiert. Zwar sollte es beschämen, dass in Deutschland eine solche Ausnahmeregelung überhaupt erforderlich ist, aber der normativen Kraft des Faktischen folgend gibt es in der momentanen Situation keine adäquate Alternative. Dass die Krankenhausapotheker alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um diese Option möglichst selten in Anspruch nehmen zu müssen und auch in den unabdingbaren Fällen dem Leitgedanken des Arzneimittelgesetzes (AMG) mit dem Schutz des Patienten als oberstem Ziel folgen werden, darf vorausgesetzt werden.

Eine weitere Verbesserung, zwar nicht in der Verhinderung von Lieferunfähigkeiten, wohl aber im Management derselben, stellt die nun geschaffene Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen zur unverzüglichen Information ihrer Kunden im Falle einer Lieferunfähigkeit dar. Die ADKA wird aufmerksam beobachten, in welchem Umfang unsere Lieferanten dieser Verpflichtung nachkommen.

Einige Aspekte sind aus Sicht des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker aber auch mit dem AMVSG noch nicht ausreichend geregelt:

1. Der §52b Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes verpflichtet den pharmazeutischen Unternehmer zur bedarfsgerechten und kontinuierlichen Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen.

Wir Krankenhausapotheker fordern, diese Verpflichtung auch auf die Belieferung von Krankenhäusern auszudehnen!

Hauptsächlicher Hintergrund dieser Forderung ist die Tatsache, dass sich das Spektrum der in den Kliniken eingesetzten Arzneimittel erheblich vom Spektrum der über den Großhandel verfügbaren Produkte unterscheidet. So werden in den Krankenhäusern in weit größerem Umfang Arzneimittel benötigt, die parenteral appliziert werden. Über 90% der im Krankenhaus eingesetzten Arzneimittel werden direkt vom Hersteller geliefert. Die alleinige Verpflichtung zur Belieferung des Großhandels reicht also in keiner Weise aus, um die Versorgung der jährlich fast 20 Millionen Krankenhauspatienten sicherzustellen, welche im Vergleich zum ambulanten Bereich zudem schwerer erkrankt sind.

2. In §15 bzw. §30 der Apothekenbetriebsordnung werden die öffentlichen Apotheken bzw. Krankenhausapotheken zu einer Vorratshaltung von Arzneimitteln verpflichtet, die dem durchschnittlichen Bedarf für eine bzw. zwei Wochen entspricht. Auch für die pharmazeutischen Großhandlungen gibt es in §52b AMG eine derartige Verpflichtung für den Zeitraum von zwei Wochen.

Wir Krankenhausapotheker fordern, eine Verpflichtung zur angemessenen Vorratshaltung von Arzneimitteln auch für pharmazeutische Unternehmen gesetzlich zu regeln!

Hauptsächlicher Hintergrund dieser Forderung ist die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der momentan festzustellenden Lieferunfähigkeiten innerhalb von vier bis acht Wochen behoben ist. Somit würde durch einen zusätzlichen Puffer auf der Ebene der Lieferanten das Risiko eines sich auf Patienten auswirkenden Engpasses deutlich reduziert.

3. Derzeit stellt das BfArM auf seiner Homepage Daten zur Lieferunfähigkeit von Arzneimitteln lediglich auf der Basis freiwilliger Informationen der Zulassungsinhaber zur Verfügung.

Wir Krankenhausapotheker fordern, die Zulassungsinhaber gesetzlich zu verpflichten, das BfArM über ihre Lieferunfähigkeit eines Arzneimittels unverzüglich zu informieren!

Hauptsächlicher Hintergrund dieser Forderung ist, dass nur so eine ausreichende Gesamtübersicht über Lieferprobleme in diesem äußerst sensiblen Markt hergestellt werden kann.

Das AMVSG ist also aus der Sicht der deutschen Krankenhausapotheker ein Schritt in die richtige Richtung, kann aber noch nicht das Ende gesetzgeberischer Maßnahmen zum Erhalt einer hochwertigen Arzneimittelversorgung sein. Auch der neue Bundestag und die neue Bundesregierung – wie auch immer sie zusammengesetzt sein werden – müssen diesem Problemfeld weiter ihre Aufmerksamkeit widmen.

Krankenhauspharmazie 2017; 38(09)