Hardy-Thorsten Panknin, Berlin, Prof. Dr. med. Matthias Trautmann, Stuttgart
Ceftarolin wird auch als Fünftgenerations-Cephalosporin bezeichnet, da seine mikrobiologische Aktivität deutlich über die der Cefotaxim-Gruppe und die des Viertgenerations-Cephalosporins Cefepim hinausgeht. Ceftarolin ist gegen Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) sowie Methicillin-resistente Koagulase-negative Staphylokokken gut wirksam. Auch die bisher als Klasseneigenschaft geltende „Enterokokkenlücke“ der Cephalosporine wird durch Ceftarolin erstmals partiell geschlossen. Ceftarolin besitzt allerdings keine Stabilität gegen Breitspektrum-Beta-Lactamasen gramnegativer Stäbchenbakterien und wirkt nicht gegen Pseudomonas aeruginosa.
Pharmakokinetische Aspekte
Die aktuelle Übersichtsarbeit aus den USA [1] stellt die pharmakokinetischen Vorteile der Substanz heraus (Tab. 1). Nach i.v. Applikation des Prodrugs Ceftarolin-Fosamil entsteht im Blut rasch die wirksame Verbindung Ceftarolin.
Tab. 1. Pharmakokinetische Parameter parenteraler Cephalosporine (verkürzt nach [1])
Substanz |
Proteinbindung |
Metabolismus |
Ausscheidung |
Halbwertszeit T½β [h] |
Cefuroxim |
33–50% |
Überwiegend unveränderte Ausscheidung im Urin |
66–100% renal |
1,3 |
Cefotaxim |
27–38% |
Leberabbau zu aktiven Metaboliten (u.a. Desacetyl-Cefotaxim) |
90–96% renal, dialysierbar |
1–1,5 |
Ceftriaxon |
85–95% |
Abbau durch intestinale Flora zu inaktiven Metaboliten |
33–67% über die Galle in den Darm; 33–67% renal, nicht dialysierbar |
5,8–8,7 |
Ceftazidim |
17% |
Überwiegend unveränderte Ausscheidung im Urin |
90–96% renal, dialysierbar |
1,7–2 |
Cefepim |
16–20% |
Dito |
Renal, dialysierbar |
2,0 |
Ceftarolin |
20% |
Dito |
88% renal, 6% Fäzes |
2,3–2,9 |
Die Eliminationshalbwertszeit von Ceftarolin (T½β) ist im Vergleich zu Cefotaxim und Ceftazidim deutlich verlängert. Bei einer Dosierung von zweimal 600 mg i.v. werden Serumkonzentrationen von 6 bis 10 mg/l für etwa sechs Stunden überschritten. Damit wird der pharmakodynamische Zielwert (Überschreitung der Hemmwerte der Zielerreger während 50 bis 60% des Dosierungsintervalls) zuverlässig erreicht.
Mikrobiologische Aktivität von Ceftarolin
Mikrobiologische Studien zeigen anhand der minimalen Hemmkonzentration für 90% der getesteten Isolate (MHK90) eine zufriedenstellende Aktivität von Ceftarolin gegenüber Enterococcus faecalis (MHK90 4–8 mg/l) [2]. E. faecium und andere Enterokokken-Spezies sind allerdings mit MHK90-Werten>16 mg/l nicht im Spektrum enthalten [2]. Ceftarolin besitzt weiterhin eine gute Bindungsaktivität für das aberrante Penicillin-bindende Protein (PBP) 2a, welches von MRSA und MRSE (Methicillin-resistenten S. epidermidis) gebildet wird. Die MHK90-Werte von Ceftarolin für diese Erreger liegen nur etwa zwei Titerstufen höher als für PBP2a-negative Staphylokokken (1 versus 0,25 mg/l) [2]. Damit ist Ceftarolin das erste klinisch verfügbare MRSA/MRSE-wirksame Cephalosporin. Auch Vancomycin-resistente oder -intermediäre MRSA werden erfasst. Bei Enterobakteriaceen liegen die MHK90-Werte der Substanz im Vergleich zur Cefotaxim-Gruppe etwas höher (z.B. bei E.coli bei 0,5 mg/l versus 0,12 mg/l), aber noch zuverlässig im sensiblen Bereich [2]. Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. werden jedoch nicht erfasst, ebenso besteht keine Wirksamkeit gegen die in der Klinik zunehmend bedeutsamen MRGN-Erreger (multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien) [1, 2].
Positionierung in der Therapie
Ceftarolin ist in den USA und Deutschland für die Therapie von Haut- und Weichteilinfektionen sowie der ambulant erworbenen Pneumonie zugelassen. In den USA spielt die Zulassung für Haut- und Weichteilinfektionen eine große Rolle, da in bestimmten Regionen bis zu 30% dieser Infektionen durch ambulant erworbene MRSA (sog. community-associated MRSA, cMRSA) verursacht werden [3]. Bei ambulant erworbenen Pneumonien lässt die Substanz aufgrund der starken Aktivität gegenüber Pneumokokken sowie Haemophilus influenzae und H. parainfluenzae mit MHK90-Werten ≤0,03 mg/l eine gute klinische Wirksamkeit erwarten. Bei Penicillin-resistenten Pneumokokken ist die MHK90 etwas höher (0,25 mg/l).
Die experimentellen und klinischen Erfahrungen bei Pneumokokken-Pneumonien zeigen eine sehr gute klinische Wirksamkeit mit signifikanter Überlegenheit gegenüber Ceftriaxon [4, 5]. Somit können auch bakterielle Pneumonien von Patienten, die aus Hochendemieländern resistenter Pneumokokken kommen (z.B. Spanien, Portugal), empirisch mit Ceftarolin behandelt werden [4].
Kommentar
In Deutschland sind Haut- und Weichgewebeinfektionen durch cMRSA nach wie vor seltener als solche durch sensible S.-aureus-Stämme. Die hierzulande vorkommenden cMRSA-Fälle lassen sich im Allgemeinen mit Co-trimoxazol (1. Wahl) oder Clindamycin (2. Wahl) bei oraler Therapie zufriedenstellend therapieren. Bei schwerer, cMRSA-bedingter ambulant erworbener Pneumonie könnte Ceftarolin im Einzelfall als Alternative zu Linezolid eingesetzt werden. Pneumokokken-Pneumonien durch Penicillin-resistente Stämme sind in Deutschland sehr selten [6]. Die eigentliche Bedeutung wird Ceftarolin daher erst dann erhalten, wenn die Substanz eine Zulassung für intensivmedizinisch relevante Indikationen wie Beatmungspneumonie oder Kathetersepsis erhält. Dies wird allerdings erst dann zu erwarten sein, wenn das Spektrum von Ceftarolin auf die MRGN-Erreger erweitert wird. Ein Prototyp einer solchen, klinisch vielversprechenden Kombination wurde in Form der Kombination mit dem Beta-Lactamase-Inhibitor Avibactam bereits geschaffen [2]. Ceftarolin/Avibactam wird aktuell in Phase-II-Studien evaluiert [7].
Literatur
1. Johnson SW, et al. Ceftaroline. Place in therapy compared to the available intravenous cephalosporins. Infect Dis Clin Pract 2014;22:8–17.
2. Sader HS, et al. Antimicrobial activity of ceftaroline-avibactam tested against clinical isolates collected from U.S. medical centers in 2010–2011. Antimicrob Agents Chemother 2013;57:1982–8.
3. King MD, et al. Emergence of community-acquired methicillin-resistant Staphyloccocus aureus USA 300 clone as the predominant cause of skin and soft tissue infections. Ann Intern Med 2006;144:309–17.
4. Shorr AF, et al. Assessment of ceftaroline fosamil in the treatment of community-acquired bacterial pneumonia due to Streptococcus pneumoniae: insights from two randomized trials. Diagn Microbiol Infect Dis 2013;75:298–303.
5. Steed ME, et al. Evaluation of ceftaroline activity versus ceftriaxone against clinical isolates of Streptococcus pneumoniae with various susceptibilities to cephalosporins in an in vitro pharmacokinetic/pharmacodynamic model. Antimicrob Agents Chemother 2012;56:2691–5.
6. Pletz MW, et al. The burden of pneumococcal pneumonia – experience of the German competence network CAPNETZ. Pneumologie 2012;66:470–5.
7. Shlaes DM. New β-lactam β-lactamase inhibitor combinations in clinical development. Ann NY Acad Sci 2013;1277:105–14.
Prof. Dr. med. Matthias Trautmann, Stuttgart
Krankenhauspharmazie 2014; 35(05)