QMS in der Apotheke – „die wichtigste und umfassendste Neuerung durch die ApBetrO“


Interview mit den Mitgliedern des Ausschusses für Qualitätsmanagement Dr. Manfred Haber, Homburg, Dr. Elfriede Nusser-Rothermundt, Stuttgart, Sabine Steinbach, Trier, und Almut Weygand, Hannover Das Interview führte Dr. Matthias Fellhauer

Die Verpflichtung zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) wurde von unserer Verbandsführung als wichtigster inhaltlicher Punkt der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bezeichnet. Würden Sie dem uneingeschränkt zustimmen?

Sabine Steinbach: Die verpflichtende Einführung eines Qualitätsmanagementsystems für die Apotheke ist tatsächlich die wichtigste und umfassendste Neuerung durch die Apothekenbetriebsordnung.

Der Ausschuss für Qualitätsmanagement stimmt der Verbandsführung hier uneingeschränkt zu und begrüßt die Entwicklung ausdrücklich. Seit dem Gesundheitsreformgesetz von 1988 legt der § 137 SGB V den beteiligten Organen im Gesundheitswesen die Pflicht zur Qualitätssicherung auf, seit 2000 sind die Krankenhäuser mit der GKV-Gesundheitsreform nach § 135a SGB V verpflichtet, ein internes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Da ist es nur folgerichtig, dass auch die Krankenhausapotheke als integraler Bestandteil des Krankenhauses mit den Bereichen pharmazeutische Logistik, Arzneimittelherstellung und klinisch-pharmazeutische Dienstleistungen einerseits ihre Leistungsfähigkeit mit Hilfe eines Qualitätsmanagementsystems sicherstellt und kontinuierlich weiterentwickelt. Andererseits dient ein Qualitätsmanagementsystem aber auch dazu, risikobehaftete Prozesse, wie beispielsweise Arzneimittelherstellung, patientenbezogene Arzneimittelversorgung und Arzneimittelinformation, sicher zu managen sowie systematisch Produkte und Dienstleistungen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu unterziehen.

Warum ist das QMS so wichtig für die Krankenhausapotheke?

Dr. Elfriede Nusser-Rothermundt: Ein Qualitätsmanagementsystem als Instrument des Organisationsmanagements unterstützt das Bestreben der Krankenhausapotheke, als effizienter professioneller Partner in der Versorgung der Patienten einen wesentlichen Beitrag zur Patientensicherheit zu leisten. Durch die Klärung von Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Befugnissen sowie durch zielgerichtete Vorgehensweise in der Ausführung der Dienstleistungen, Beleuchtung der Schnittstellen zu den Ärzten, dem Pflegepersonal und der Verwaltung können die Anforderungen an die klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen, die hergestellten Produkte sowie an die Beschaffung der „kritischen Waren“ Arzneimittel und Medizinprodukte ständig optimiert werden. Ein Qualitätsmanagementsystem rückt die Bedürfnisse der Dienstleistungsempfänger der Krankenhausapotheke im Dialog mit den Beteiligten in den Fokus, unter anderem durch vorausschauende Planung der Beschaffung von Waren oder von Informationen und Beratung, die eine sichere Anwendung von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährleisten. Die Strukturen des Qualitätsmanagementsystems unterstützen so die Rechtssicherheit der Organisation in der Krankenhausapotheke.

Almut Weygand: Ein Qualitätsmanagementsystem richtet außerdem den Fokus auf die Mitarbeiter. Durch Schulungen und Fortbildungen kann die Vermittlung von Wissen sichergestellt und nach außen dokumentiert werden. Klare Aufgabendefinitionen, Herausarbeiten individueller Stärken und gezielte Schulung tragen zur Motivation der Mitarbeiter bei. Hoch motivierte Mitarbeiter sind wiederum die beste Voraussetzung, die Kunden der Apotheke zufriedenzustellen und maßgeblich zum Erfolg der Apotheke beizutragen.

Die Einführung eines QMS ist mit weitreichenden Änderungen vor allem bei der Rezeptur und Defektur verbunden, was in den meisten Fällen auch mit mehr Personalaufwand einhergehen dürfte. Welchen Rat geben Sie unseren Kolleginnen und Kollegen, um den Spagat zwischen den rechtlichen Verpflichtungen einerseits und den begrenzten Personalressourcen andererseits zu schaffen?

Dr. Elfriede Nusser-Rothermundt: Die Änderungen in den Bereichen Rezeptur und Defektur können durch den Einsatz von geprüften Softwarelösungen sowie durch Einschränkung auf das nach pharmazeutischem Sachverstand Notwendige eingegrenzt werden. Viele Kollegen hatten gerade im herstellenden Bereich bereits vor der Einführung der Apothekenbetriebsordnung klar definierte Abläufe, die zu qualitativ hochwertigen Produkten führten. Sicherlich besteht Handlungsbedarf bezüglich des Dokumentationsaufwands. Dieser sollte jedoch nicht übertrieben werden, sondern sich an schlanken Lösungen orientieren, wie beispielsweise übergreifenden Arbeitsanweisungen für Produktkategorien, auf die dann immer wieder verwiesen werden kann. Ein möglicher zusätzlicher Personalaufwand sollte dokumentiert und der Verwaltung gegenüber dargestellt werden.

Sabine Steinbach: Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Plausibilitätsprüfungen einen Qualitätsschub ausgelöst haben. Viele alte, lieb gewonnene Rezepturen konnten durch qualitätsgesicherte Rezepturen aus dem NRF ersetzt werden. Dies führt zu mehr Sicherheit in der Herstellung, Anwendung und Verordnung und wird von allen beteiligten Partnern geschätzt. Zunächst war in vielen Bereichen einmal „mehr“ Arbeit erforderlich, die sich aber schnell als „Mehrwert“ herausstellte und im Laufe der Zeit auch zu Zeitersparnis führte. Die Empfehlung kann hier nur lauten, sich den Neuerungen offen zu stellen und diese sukzessive umzusetzen.

In der „Resolution 2012“ der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschland (APD) wird explizit auch die Selbstinspektion des QMS erwähnt. Wäre das auch eine praktikable Option für Krankenhausapotheken?

Dr. Manfred Haber: Neben der Sicherung der Ergebnis-, der Prozess- und der Strukturqualität fordert ein QMS die kontinuierliche Optimierung der Prozesse und Leistungen. Durch professionelle Ablaufdarstellungen mit Hilfe beispielsweise eines Kennzahlensystems können die Anforderungen an klinisch-pharmazeutische Dienstleistungen, Arzneimittelinformation sowie Beschaffungs- und Distributionsprozesse ständig optimiert werden. Die jährliche Selbstinspektion ist dabei eine tragende Säule zur systematischen Reflexion und zur Weiterentwicklung. Ziel einer Selbstinspektion oder eines Audits ist es, Abläufe hinsichtlich der Erfüllung von Anforderungen und Richtlinien zu bewerten. In der Apothekenbetriebsordnung wird der Nachweis eines funktionsfähigen QMS gefordert, das gemäß § 2a die pharmazeutischen Abläufe steuert. Die Selbstinspektion des QMS ist somit unabdingbarer Baustein eines funktionierenden QMS in der Krankenhausapotheke. Bei der Durchführung der Selbstinspektion sollte Wert darauf gelegt werden, dass die Personen, die diese Tätigkeit ausüben, über entsprechende fachliche und persönliche Kompetenz verfügen, um im kollegialen Austausch Verbesserungspotenziale zu sichten.

Eine Option im Rahmen eines QMS ist die Inspektion durch externe Kolleginnen oder Kollegen. Dieses sogenannte Kollegenaudit wurde in der Vergangenheit besonders von Apotheken mit großen Herstellungsbereichen praktiziert. Wie beurteilen Sie diese Audits und wie schätzen Sie deren Stellenwert auch für kleinere Apotheken ein?

Dr. Elfriede Nusser-Rothermundt: Ein Audit durch Kollegen dient immer dem Perspektivenwechsel. Die Beleuchtung der Abläufe von außen hilft, den eigenen blinden Fleck zu erkennen, und fördert das Lernen voneinander, unabhängig von der Größe der Apotheke. Diese Vorgehensweise bietet die große Chance, in selbst gewählter vertrauensvoller kollegialer Atmosphäre voneinander oder quasi im Sinne eines Benchmarks zu lernen. Viele Apotheken sind regional oder in Einkaufsgemeinschaften organisiert und miteinander freundschaftlich verbunden. Das Kollegenaudit bietet eine zusätzliche Möglichkeit, sich fachlich auszutauschen und weiterzuentwickeln. Zudem kommt es Normen wie beispielsweise der DIN 19011 (Leitlinie für Audits) entgegen, die vorschreibt, dass immer nicht in den Prozess involvierte Personen die Selbstinspektionen in einem Bereich durchführen.

Im Rahmen des QMS dürften Leitlinien der ADKA eine besondere Rolle spielen, weil sie auf die Verhältnisse der Krankenhausapotheken ganz speziell zugeschnitten sind und daneben einem Verfahren zur Konsentierung im eigenen Kollegenkreis unterworfen sind. Die Leitlinie zur aseptischen Herstellung ist bereits publiziert, welche Themen für zukünftige Leitlinien sehen Sie hier mit besonderer Priorität?

Dr. Manfred Haber: Hier dürfte sicherlich die Leitlinie „Versorgung von Krankenhauspatienten durch Krankenhausapotheken“ eine zentrale Rolle spielen, die aktuell revidiert und in den nächsten Wochen veröffentlicht werden wird. Sie beschreibt umfänglich alle wesentlichen Dienstleistungen und Tätigkeitsfelder einer Krankenhausapotheke. Zukünftig wird es wichtig sein, patientennahe Dienstleistungen und Tätigkeiten, wie zum Beispiel Stationsapotheker mit den wesentlichen Themen Arzneimittelanamnese, Medikamentenabgleich (medication reconciliation) und Entlassbetreuung im Rahmen einer Leitlinie zu beschreiben. Darüber hinaus existieren bereits diverse ADKA-Leitlinien, beispielsweise zur Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke, zur GCP-konformen Mitarbeit bei klinischen Prüfungen, zur Herstellung und Prüfung in der Krankenhausapotheke, zum Umgang mit Gentherapeutika oder zur Unit-Dose-Versorgung. Diese gilt es regelmäßig zu aktualisieren und gegebenenfalls um neue Aspekte zu ergänzen. Aktuell wurden die Ausschüsse beauftragt, neue Leitlinien mit den Themen "Schnittstellenmanagement" und "TPN für Kinder" zu erarbeiten.

Es werden von diversen Apothekerkammern QM-Systeme angeboten, ist diese Art der Zertifizierung aus Ihrer Sicht für Krankenhausapotheken geeignet bzw. empfehlenswert?

Sabine Steinbach: Die apothekenspezifischen QM-Systeme der Apothekerkammern, beispielsweise von Rheinland-Pfalz und Hessen oder Baden-Württemberg, bieten auf jeden Fall sinnvolle Möglichkeiten, um auf relativ einfache und unkomplizierte Art ein Qualitätsmanagementsystem zu beschreiben und zu implementieren. Es handelt sich hierbei um sogenannte integrierte Systeme, bei denen neben der Organisation auch die pharmazeutische Qualität von Produkten und Dienstleistungen gesichert wird. Auf der Basis der Mustersatzung der ABDA stellen die Systeme der Landesapothekerkammern in ihren Satzungen die pharmazeutischen Prozesse in den Mittelpunkt und integrieren ebenso die reinen Organisationsprozesse der DIN EN ISO 9001:2008. Für das Qualitätsmanagementsystem einer Krankenhausapotheke sind zusätzlich die ADKA-Leitlinien zu berücksichtigen und bieten eine sinnvolle Ergänzung.

Wichtig ist unseres Erachtens, dass das Handbuch und die Dokumente durch das Team erarbeitet werden. Nur so sind Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit der festgelegten Verfahren gegeben und es ergibt sich ein deutlicher Mehrwert für die Krankenhausapotheke.

Wie plant der QM-Ausschuss, bei der Umsetzung der QMS-Implementierung Hilfestellung zu geben?

Dr. Manfred Haber: Der Ausschuss wird beim 38. Wissenschaftlichen Kongress der ADKA in Dresden einen Workshop mit dem Titel „Qualität planen, prüfen, leben – eine alte Herausforderung unter neuen Vorzeichen“ durchführen, in dem praxisorientiert sowohl Inhalte der DIN EN ISO 9001:2008 als auch der kammerorientierten QM-Systeme präsentiert werden.

Darüber hinaus findet ein ganztägiger Workshop am 25. Juni in Mainz statt, der allen interessierten Kollegen Grundlagen eines Qualitätsmanagementsystems und einen Einstieg in die Implementierung vermitteln soll. Bei Bedarf soll dieser Workshop zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Ort (wahrscheinlich Berlin) wiederholt werden.

Zudem stellt der Ausschuss im internen Bereich der ADKA-Homepage Hilfsmittel und Dokumente zum Download zur Verfügung. Darüber hinaus stehen die Mitglieder des Ausschusses auch gerne mit Rat und Tat in persönlichen Gesprächen zur Verfügung.


Dr. Manfred Haber, Apotheke des Universitätsklinikums des Saarlandes, Kirrberger Straße, 66424 Homburg/Saar

Dr. Elfriede Nusser-Rothermundt, Apotheke des Klinikums Stuttgart – Katharinenhospital, Hegelstraße 4, 70174 Stuttgart

Sabine Steinbach, Apotheke Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen gGmbH, Feldstraße 16, 54290 Trier

Almut Weygand, Apotheke der Diakoniekrankenhaus Friedrikenstift Hannover gGmbH, Humboldtstraße 5, 30169 Hannover

Dr. Matthias Fellhauer, Apotheke der Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH, Vöhrenbacher Straße 23–25, 78050 Villingen-Schwenningen

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