Die deutschen Krankenhausapotheker wollen sich zukünftig noch intensiver mit pharmazeutischem Fachwissen und pharmazeutischen Tätigkeiten unmittelbar in die Behandlungsprozesse der Patienten im Krankenhaus einbringen. Als Fachmann für Arzneimittel kann der Krankenhausapotheker unterstützend in allen Prozessen der Arzneimittelversorgung mitwirken und so durch umfassende und erweiterte pharmazeutische Betreuung vor Ort die Klinikärzte entlasten.
Anlass dieses Angebots ist die aktuelle Situation im Gesundheitswesen. Das Schlagwort „Ärztemangel“ ist in aller Munde. Nicht nur durch die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes fehlen in vielen Krankenhäusern Ärzte, erschwerend wirken sich auch die Arbeitsbedingungen aus, die eine Abwanderung vieler junger Ärzte ins Ausland nach sich ziehen. Zunehmende Dokumentations- und Verwaltungstätigkeiten geben dem Klinikarzt immer weniger Zeit für die eigentliche klinische Tätigkeit – die Arbeit an und mit dem Patienten.
Pflegekräfte in Deutschland haben dies erkannt und versuchen mit der Aktion „Delegation ärztlicher Leistungen“ des Deutschen Pflegerats unterstützend einzugreifen. Jedoch sind viele Tätigkeiten im Bereich der Arzneimittelversorgung nicht an Pflegekräfte delegierbar.
Hier bietet sich der Krankenhausapotheker als der natürliche Kooperationspartner der Ärzte an. Als Fachmann für Arzneimittel kennt er sowohl den Nutzen der Arzneimitteltherapie als auch deren Risiken. Vor Ort – auf Station und am Patienten – kann er Effektivität und Sicherheit der Arzneimitteltherapie umfassend gewährleisten und zeigt Kompetenz aus erster Hand. Ergänzend zu den klinischen Tätigkeiten der Ärzte entlastet der Krankenhausapotheker unmittelbar dort, wo er sich am besten auskennt – bei der Arzneimittelversorgung. Hier kann er spürbar einen Beitrag zur Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung und zur Prozessoptimierung leisten.
Darüber hinaus kann der Krankenhausapotheker in Kooperation mit Ärzten und Pflegekräften die Delegation ärztlicher Tätigkeiten im Arzneimittelbereich auf die Pflegekräfte unterstützen. Durch sein umfassendes Wissen über Nutzen und Risiken der Arzneimitteltherapie, insbesondere im Bereich der Vorbereitung zur Anwendung und der Anwendung von Arzneimitteln am Patienten, kann er Arbeitsabläufe im Bereich Sicherheit und Delegierbarkeit einschätzen und Maßnahmen erarbeiten, die die Delegation sicher und effektiv gestalten. Dabei stehen die Optimierung der Patientenversorgung und die Patientensicherheit für die Krankenhausapotheker im Mittelpunkt.
Mit folgenden konkreten Maßnahmen wollen die deutschen Krankenhausapotheker Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus durch pharmazeutische Dienstleistungen unterstützen:
Bei der Aufnahme eines Patienten
● Arzneimittelanamnese und Arzneimitteltherapiesicherheits(AMTS)-Prüfung mit Umstellung der Hausarztmedikation auf Präparate der Hausliste an der Schnittstelle ambulant/stationär
● Pharmazeutische Beratung des Patienten zu den durchgeführten Umstellungen
● Vorbereitung für die Anästhesie bei Patienten der operativen Fächer
Während des stationären Aufenthalts
● AMTS-Prüfung bei Änderung der Therapie
– Berücksichtigung klinischer Laborparameter bei der Dosierung (z.B. Nierenfunktion, Leberfunktion, Elektrolyte wie Kalium)
– Dosis- und Compliance-Überprüfung bei kritischen Substanzen (z.B. orale Antikoagulanzien, Immunsuppressiva, Antiasthmatika, orale Chemotherapie)
● Patientenaufklärung und Complianceförderung bei speziellen Arzneimitteltherapien (z.B. immunsuppressiver Therapie, oraler Chemotherapie, Asthmatherapie)
● Dokumentation und Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW)/unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE) (Pharmakovigilanz)
● Organisation der Weiterführung von Therapien bei Fachabteilungswechsel (interne Schnittstellen)
● An-/Ab- und Umsetzen von Arzneimitteln im Rahmen von Arzneimitteltherapiestandards, beispielsweise
– Prämedikation vor Operationen oder diagnostischen Eingriffen
– Obligate Begleitmedikation bei der Chemotherapie
– Analgetika bei Schmerztherapiekonzepten
– Parenterale und enterale Ernährung
– Antibiotika gemäß Standard und Antibiogramm
● Management von fehlerhafter Anwendung von Medikamenten mit hohem Risikopotenzial (high alert drugs)
Bei der Entlassung des Patienten
● Vorbereitung der Entlassmedikation und AMTS-Prüfung an der Schnittstelle stationär/ambulant
– In Bezug zur Aufnahmemedikation
– Dokumentation der Arzneimitteltherapie mit notwendiger Information über Therapieentscheidungen und Vorbereitung des Entlassbriefes
– Umsetzung der Forderungen zur Angabe eines preisgünstigen Generikums
● Pharmazeutische Beratung des Patienten zur Arzneimitteltherapie bei Entlassung
● Sicherstellung einer lückenlosen Fortsetzung der Arzneimitteltherapie an der Schnittstelle stationär/ambulant
Bei der Arzneimitteltherapie im Krankenhaus
● Erstellen von Arzneimitteltherapiestandards
● Bewertung von zu delegierenden Tätigkeiten rund um das Arzneimittel
● Erarbeitung von standardisierten Arbeitsabläufen rund um das Arzneimittel
● Durchführung von Schulungen
Die genannten Tätigkeiten müssen in Kooperation mit allen Beteiligten sowie mit zusätzlicher juristischer Kompetenz erarbeitet werden. Zur Qualitätssicherung der Prozesse müssen interne Festlegungen in den Krankenhäusern verbindlich getroffen werden. Gegebenenfalls sind zur Umsetzung gesetzliche Anpassungen notwendig. Aus-, Fort- und Weiterbildung werden das erweiterte Aufgabenspektrum aufgreifen und die Tätigkeitsfelder in die Breite tragen. Die Zahl der in Krankenhäusern tätigen Apotheker wird zur Realisierung der genannten Vorschläge angemessen steigen müssen.
Wenn sich bislang in Deutschland diese Art der pharmazeutischen patientenorientierten Tätigkeit vor Ort nur in herausragenden Einzelprojekten fortschrittlicher Kliniken findet, so sind klinisch tätige Stationsapotheker schon seit Jahren in UK und USA erfolgreich etabliert. Dort sind ihre wertschöpfende Tätigkeit und die Verbesserung der Qualität in der Arzneimittelversorgung durch Studien belegt und rechtfertigen die entsprechende personelle Ausstattung der Kliniken mit Apothekern.
Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker ADKA e.V. setzt sich zum Ziel, die Unterstützung der ärztlichen Tätigkeiten im Krankenhaus durch patientenorientierte pharmazeutische Betreuung vor Ort durch die vorgeschlagenen Maßnahmen sowohl auf Verbandsebene als auch politisch zu fördern, um so deren Umsetzung aktiv voranzutreiben.
Präsidium des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker ADKA e.V., Präsident Michael Lueb, Geschäftsstelle Berlin, Alt Moabit 96, 10559 Berlin, E-Mail: praesident@adka.de
Krankenhauspharmazie 2008; 29(06)