Anamnese
Eine 70-jährige Frau wird mit plötzlicher einseitiger Lähmung im Arm und im Gesichtsbereich ins Krankenhaus eingeliefert. Zudem kann sich die Patientin nicht mehr deutlich ausdrücken und leidet unter Gleichgewichtsstörungen.
Aktuelle Medikation
- Seit zwei Jahren Acetylsalicylsäure (100 mg ASS) zur Sekundärprävention bei Zustand nach Schlaganfall
- Ibuprofen 600 mg zur Behandlung einer akuten Arthritis
Diagnose
Schlaganfallentwicklung aufgrund der Wechselwirkung zwischen ASS und Ibuprofen
Pathomechanismus
- ASS acetyliert die Cyclooxygenase-1 (COX-1), wodurch das Enzym irreversibel gehemmt wird; es kommt zur Hemmung der Thrombozytenaggregation.
- Ibuprofen und andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hemmen dagegen die COX-1 nur reversibel.
- Die Bindungsstelle für ASS, Ibuprofen und die meisten anderen NSAR (z.B. Naproxen) liegt innerhalb eines schmalen Bereichs des COX-1-Enzyms. Durch diese benachbarte Lage der Bindungsstellen kommt es zwischen Ibuprofen und ASS zu einer kompetitiven Wechselwirkung.
- Somit kann vor ASS eingenommenes Ibuprofen den Zugang von ASS in den Kanal blockieren und dadurch die irreversible Acetylierung der COX-1 verhindern.
Die Folge davon ist eine unzureichende Thrombozytenaggregationshemmung [1, 3] (Abb. 1).
Abb. 1. Thrombozytenaggregationshemmung nach der kombinierten Einnahme von Ibuprofen und Aspirin. Das erste Arzneimittel wurde jeweils zwei Stunden vor dem zweiten eingenommen [nach Catella-Lawson et al. 2001].
Wichtige Hinweise – Lessons learned
ASS immer mit zeitlichem Abstand von zwei Stunden vor Ibuprofen geben, damit die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS erhalten bleibt.
- Alternativen: Rofecoxib, Paracetamol, Diclofenac
- Ibuprofen könnte zu einem erhöhten Risiko arterieller Thrombosen beitragen. Bei koronarer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlusskrankheit oder zerebrovaskulären Erkrankungen sollte Ibuprofen vermieden oder nur nach sorgfältiger Abwägung z.B. bedarfsweise gegeben werden.
- Bitte im Entlassungsbrief auf die Einnahmeintervalle hinweisen!
Patienten, die mit dem magensaftresistent überzogenem ASS protect behandelt werden, sollte angeraten werden, mit ihrem Arzt zu sprechen, falls sie vorhaben NSAR einzunehmen, da die kardioprotektive Wirkung von ASS eingeschränkt sein kann [2].
Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Christine Schnitzer, Prof. Dr. med. Harald Dormann
Quellen
- Catella-Lawson F, et al. Cyclooxygenase inhibitors and the antiplatelet effects of aspirin. N Engl J Med 2001;345:1809–17.
- Fachinformation Aspirin® protect 300 mg
- Pharmazeutische Zeitung online: Ausgabe 28/2004: Vorsicht bei Ibuprofen mit Acetylsalicylsäure
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