Bullöses Pemphigoid unter Pembrolizumab

Anamnese

Ein 82-jähriger Mann mit bekanntem Harnblasenkarzinom wird mit ausgesprägten Lymphödemen in beiden Beinen und Verdacht auf urtikarielles Ekzem nach Pembrolizumab in unsere Klinik eingewiesen. 

Medikation

  • Pembrolizumab 200 mg i.v. bei lymphogen metastasiertem Urothelkarzinom (Stadium pT1 G3) seit sechs Monaten
  • Orale Dauermedikation bei Hypertonie
  • Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2

Diagnose und Therapie

Bullöses Pemphigoid unter Pembrolizumab (anti-BP230-IgG-positiv)

Prednisolon initial 80 mg/Tag, im Verlauf ausschleichend

Topische Therapie mit Corticosteroiden

Verlegung in eine Hautklinik, immunsuppressive Therapie mit Mycophenolatmofetil 1g p.o. mit deutlicher Befundbesserung.

Pathomechanismus

Das bullöse Pemphigoid (BP), eine blasenbildende Autoimmunerkrankung der Haut. Es entsteht durch die Bildung von Autoantikörpern, die sich vor allem gegen die hemidesmosomalen Antigene BP180/BPAG2 und BP230/BPAG1 richten [1]. Hemidesmosomen dienen der Adhäsion von Epithelzellen an der Basalmembran. Bei Autoantikörperbildung gegen BPAG2 und/oder dessen intrazellulären Bindungspartner (Plaque-Protein BPAG1) wird diese Adhäsion gestört, sodass sich die Epidermis unter Blasenbildung ablöst.

Immer mehr Arzneimittel werden als Ursache für die Entstehung eines bullösen Pemphigoids identifiziert. In diesem Fall wurde die Autoimmunreaktion durch die Gabe von Pembrolizumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper, der an den „programmed cell death-1“ (PD1) Rezeptor bindet und die Interaktion mit seinen Liganden PD-L1 und PD-L2 blockiert, ausgelöst [2]. Pembrolizumab bindet an PD-1 Rezeptoren, um eine negative Regulation der T-Zell-Aktivität zu vermindern und so die T-Zell-Reaktion, einschließlich der Immunreaktion zu verstärken [2]. Pembrolizumab ist am häufigsten mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert [2]. Hautausschläge und Pruritus werden sehr häufig berichtet, aber auch schwere Hautreaktionen wie bullöse Dermatiden kommen häufig vor [2].

PD-1 Liganden werden von Antigenpräsentierenden B-Zellen und in der Mikroumgebung von Tumoren exprimiert, die dazugehörigen Rezeptoren befinden sich auf B- und T-Zellen. Durch eine Dysregulation der B - und T-Zellen kann das bullösen Pemphigoid entstehen [3].

(1)    T-Zell unabhängige B-Zell Aktivierung nach Blockade durch Pembrolizumab (Dysregulation der B-Zellen): PD-1 Blockade verstärkt die Antwort des B-Zell-Rezeptors und führt letztendlich zu einer vermehrten Antikörper-Produktion. Aufgrund einer Kreuzreaktion können sich diese Antikörper der B-Zellen auch gegen die körpereigenen BP180-Antigene in der Basalmembran der Haut richten, was schließlich zur Entstehung des BP führen kann (Abb. 1 a+b) [3].

(2)    T-Zell abhängige B-Zell Aktivierung nach Blockade durch Pembrolizumab (Dysregulation der T-Zellen): Unter Pembrolizumab wird durch Blockade des Rezeptors zum einen die Selektion von potenziell mutierten B-Zellen durch die T-Helferzellen und zum anderen die inhibitorische Funktion der regulatorischen T-Zellen gehemmt, was eine gesteigerte Produktion von Plasmazellen mit niedriger Affinität zur Folge hat. Diese können eine antikörpervermittelte Immunreaktion, wie das BP, zur Folge haben (Abb. 1 c+d) [3].

Abb. 1. Mögliche Pathogenese des mit PD-1 Inhibitoren assoziierten bullösen Pemphigoid (nach Tsiogka et al [3]).

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • BP ist vermutlich ein Klasseneffekt der PD1-Antikörper
  • Bei therapierefraktären, atypischen juckenden Ausschlägen, Blasenbildung und Schleimhautausschlägen unter Therapie mit PD-1 Inhibitoren an ein Immuntherapie-induziertes BP denken und einen Hautarzt konsultieren.
  • Pembrolizumab sollte bei Grad-3-Hautreaktionen zunächst pausiert werden, bei einem erneuten Auftreten oder Grad-4-Hautreaktionen dauerhaft abgesetzt werden.

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. Barbara Pfistermeister, Helena Hüseman, Dr. Marina Karg, Dr. Anja Knüppel-Ruppert, Prof. Harald Dormann, Dr. Martina Weidinger

Quellen

  1. Nishie W. Update on the pathogenesis of bullous pemphigoid: an autoantibody-mediated blistering disease targeting collagen XVII. J Dermatol Sci 2014;73:179–86.
  2. Fachinformation Keytruda 25mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Stand 09/2022
  3. Tsiogka A. Bullous Pemphigoid Associated with Anti-programmed Cell Death Protein 1 and Anti-programmed Cell Death Ligand 1 Therapy: A Review of the Literature. Acta Derm Venereol 2021;101: adv00377.

Kontakt

Klinikum Fürth
Studienzentrale der Zentralen Notaufnahme
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