Medikamentös-toxische Kardiomyopathie unter Anthracyclinen

Anamnese

Eine 61-jährige Frau leidet seit fünf Tagen im Liegen und bei geringer Belastung an zunehmender Schwäche und Dyspnoe. Sie befindet sich in einem reduzierten Allgemeinzustand mit Tachykardie, abgeschwächten Atemgeräuschen und Unterschenkelödemen. Kardiovaskuläre Risikofaktoren liegen nicht vor, regelmäßige kardiologische Kontrollen bis einen Monat vor der Vorstellung waren ohne pathologischen Befund. 

Medikation

  • Vor 8 Jahren: Epirubicin/Cyclophosphamid (4 Zyklen) und Paclitaxel nach Erstdiagnose eines Mammakarzinoms.
  • Aktuell: Epirubicin/Cyclophosphamid (4 Zyklen) und adjuvante Chemotherapie mit Paclitaxel (75% Dosisreduktion aufgrund einer Polyneuropathie) bei Rezidiv des Mammakarzinoms.

Diagnose

Kardiogener Schock bei Epirubicin-assoziierter Kardiomyopathie

Therapie

Intensivmedizinische Therapie des protrahierten kardiogenen Schocks: 

  • Katecholamin-Therapie
  • Invasive Beatmung und Implantation einer Impella-Herzpumpe
  • Venoarterielle ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung)
  • Kontinuierliche venovenöse Hämodialyse bei akutem Nierenversagen

Pathomechanismus

Es handelt sich bei diesem Fall nicht um eine akute, sondern um eine chronische Kardiotoxizität durch das Anthracyclin Epirubicin. Diese kommt dosisabhängig zustande und tritt in der Regel im ersten Jahr nach Ende der Anthracyclin-Therapie auf. Charakteristisch ist der irreversible Verlust von Kardiomyozyten, zudem ist sie therapierefraktär und hat eine schlechte Prognose [1].  

Anthracycline hemmen die Replikation und Transkription durch Interkalation in die DNA und führen über mehrere Schritte zur Zellapoptose. Mögliche Mechanismen für die Kardiotoxizität sind die Entstehung freier Sauerstoffradikale, Veränderungen im Eisenmetabolismus und in Ca2+-Signalwegen. Die Topoisomerase-II-beta wurde als kritischer Mediator für die kardiotoxischen Effekte der Anthracycline identifiziert. Die Inhibition der Topoisomerase-II-beta durch Anthracycline verursacht mitochondriale Dysfunktionen und führt u. a. zur Freisetzung von Sauerstoffradikalen. In einzelnen neuen Studien konnte gezeigt werden, dass nicht nur der Untergang der Kardiomyozyten zur Kardiotoxizität beiträgt, sondern auch andere Zelltypen wie kardiale Vorläuferzellen, kardiale Fibroblasten oder Endothelzellen betroffen sein können und zur Pathogenese der Anthracyclin-induzierten Kardiomyopathie beitragen [1]. Zudem potenziert eine gleichzeitige Gabe von Paclitaxel mit Anthrazyklinen die kardiale Toxizität [3].

 

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Risikofaktoren für medikamentös-toxische Kardiomyopathien sind Alter, kardiale Vorschädigungen, Bestrahlung im Herzbereich oder die kumulative Dosis der Anthracycline [3]
  • Applikation von Anthracyclinen nur nach vorherigem Elektro- und Echokardiogramm (einschließlich Bestimmung der LVEF) und unter regelmäßigen kardiologischen und echokardiografischen Kontrollen [3]
  • Reduktion der Kardiotoxizität durch Gabe des Eisenchelators Dexrazoxan oder durch Anwendung von pegylierten oder liposomalen Anthracyclinen [2]
  • regelmäßige Überprüfung der kumulativen Schwellendosen
  • Vorgehen bei Anthracyclin-assoziierter Kardiomyopathie:
    • Abbruch der Anthracyclin-Therapie und Meidung kardiotoxischer Substanzen
    • Leitliniengerechte Therapie der Herzinsuffizienz und kardiologische Kontrollen

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Miriam Specht, Marina Launer, Prof. Dr. Harald Dormann, Dr. Barbara Pfistermeister

Quellen

  1. Cardinale D, et al. Cardiotoxicity of anthracyclines. Front Cardiovasc Med 2020;7:26. doi:10.3389/fcvm.2020.00026
  2. Rassaf T, et al. Onkologische Kardiologie. Kardiologe 2020;14:267–93. doi:10.1007/s12181-020-00395-z
  3. Schlitt A, et al. Kardiotoxizität onkologischer Therapien. Dtsch Arztebl Int 2014;111(10): 161–8. doi:10.3238/arztebl.2014.0161

Kontakt

Klinikum Fürth
Studienzentrale der Zentralen Notaufnahme
Jakob-Henle-Straße 1
90766 Fürth

Falls Sie Fragen zu den Nebenwirkungen des Monats haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an: zna-studienzentrale@klinikum-fuerth.de