Cave: Lipidapherese und ACE-Hemmer

Anamnese

Eine 71-jährige Patientin wurde aus stationärer Behandlung entlassen. Als neues Medikament wurde Ramipril bei arterieller Hypertonie angesetzt. Einen Tag später ist eine ambulante Lipidapherese bei familiärer Hypertriglyceridämie geplant, die sie schon mehrfach komplikationslos erhalten hatte. Nach etwa einer Viertelstunde kam es zu einem Kollaps mit Schwarzwerden vor Augen, leichter Übelkeit und thorakalem Engegefühl und Blutdruckabfall auf 53/35 mmHg.

Blutdruckmessgerät mit Anzeige 53/35 mmHg

Diagnose und Therapie

Distributiver Schock bei Lipidapherese

  • am ehesten getriggert durch Ramipril (ACE-Hemmer, Antihypertensivum)

Pathomechanismus

Apheresen beruhen auf der extrakorporalen Elimination pathogener Proteine und Zellen, proteingebundener Substanzen und Mikroorganismen. Im Gegensatz zur Hämodialyse sind Aphereseverfahren damit nicht auf die Entfernung wasserlöslicher, toxischer Substanzen mit geringem Molekulargewicht beschränkt.

Ein transienter Blutdruckabfall ist die häufigste Nebenwirkung, daher sollte die Einnahme jeder blutdrucksenkenden Medikation vor oder nach einer Apheresebehandlung kritisch geprüft werden. Grundsätzlich sollte vor Einleitung der Apheresetherapie auf die Gabe von Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Hemmern verzichtet werden, da durch negativ geladene künstliche Oberflächen bei Blutkontakt das Bradykinin-Kallikrein-System aktiviert wird. ACE katalysiert auch die Inaktivierung des lokalen Mediators Bradykinin, der an Endothelzellen eine NO-vermittelte Vasodilatation auslösen kann. Bei ACE-Hemmung kann es daher zu einem Anstieg von Bradykinin und seinen Wirkungen kommen (z. B. Vasodilatation, Angioödem, Reizhusten), zu einer akuten, schweren und anhaltenden Hypotonie bis hin zum distributiven Schock [2].

Angriffspunkt der ACE-Hemmer im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und Kallikrein-Kinin-System (modifiziert nach [3])

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • ACE-Hemmer sollten vor Beginn einer Lipidapherese ausgestauscht werden, da es zu einer akuten Hypotonie mit nachfolgender Hospitalisierung kommen kann. Bei einigen Apheresesystemen sind ACE-Hemmer direkt kontraindiziert (Dextransulfatadsorption) [1], aber auch ohne Kontraindikation sollte auf die Gabe von ACE-Hemmern verzichtet werden [2].
  • Die Gabe von AT1-Rezeptorblockern (Sartanen) kommt zur Blutdrucksenkung alternativ infrage.

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Prof. Dr. med. Harald Dormann, Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Christine Schnitzer, Dr. med. Marina Karg, Dr. med. Christian Forster

Quellen

  1. Fachinformation: Ramipril Heumann Tabletten, Heumann, Juli 2020
  2. Standard der Therapeutischen Apherese 2019 der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie e.V.; V Schettler et. al., 2019
  3. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2019, T. Karow und R. Lang-Roth, 27. Auflage
  4. Atypical reactions associated with use of angiotensin-converting enzyme inhibitors and apheresis, H.G. Owen , M.E. Brecher; https://doi.org/10.1046/j.1537-2995.1994.341095026976.x

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