Anamnese
Ein Patient berichtet über zunehmende Knöchelödeme ohne jegliche Begleitsymptomatik. Zur Behandlung der Ödeme bekommt er eine diuretische Therapie (Furosemid 250mg p.o./Tag), die zu einem akuten prärenalen Nierenversagen führt (initialer Kreatininwert: 2,7 mg/dl, GFR ca. 29 ml/min). Nach Absetzen der Diuretika und parenteraler Volumensubstitution normalisierten sich die Nierenretentionsparameter. Es gab keine Hinweise auf eine pulmonale, kardiale, hepatische oder vaskuläre Genese der Ödeme. Eine Amlodipin-Einnahme erfolgte erst seit wenigen Wochen.
Diagnose
Amlodipin-induzierte Knöchelödeme
Akutes prärenales Nierenversagen unter forcierter Diurese (Verordnungskaskade)
In seltenen Fällen kann Amlodipin Knöchelödeme auslösen
Aktuelle Medikation
Amlodipin: 5 mg 1-0-1
(Pharmakotherapeutische Gruppe: langwirksamer Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ bei arterieller Hypertonie)
Furosemid: 250 mg p.o./Tag
(Pharmakotherapeutische Gruppe: Schleifendiuretikum bei stauungsbedingten oder nephrogenen Ödemen)
Pathomechanismus
Amlodipin ist ein Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ, der den Einstrom von Calciumionen vorwiegend in die glatten Gefäßmuskelzellen hemmt. Die blutdrucksenkende Wirkung beruht auf der Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur und beschränkt sich auf arterielle Blutgefäße. Der Druck in den Kapillaren – insbesondere in den Beinen – erhöht sich. Dadurch tritt Wasser aus den Gefäßen ins Gewebe über, es kommt zu Knöchelödemen.
Wichtige Hinweise – Lessons learned
Bei Verdacht auf Calciumkanalblockerinduzierte Ödeme:
- Absetzen/Dosisreduktion des Amlodipin (Beinhochlagerung, Bandage; keine Schleifendiuretika).
- Kombination mit ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten (durch eine postkapilläre/venöse Dilatation kommt es zu einer Normalisierung des intrakapillären Drucks -> keine Flüssigkeitsabgabe ins Gewebe).
- Weitere Möglichkeiten sind der Ersatz durch Lercanidipin (= lipophiler, langwirksamer Calcium-Antagonist vom Dihydropyridin-Typ mit weniger Ödembildung, Einnahme morgens nüchtern beachten) oder Ausweichen auf andere Antihypertensiva.
- Cave: Schleifendiuretika haben nur einen geringen bzw. keinen Effekt auf Calciumkanalblockerinduzierte Ödeme, da diese nicht durch eine Retention von Natrium oder Wasser entstehen. Dagegen kann durch die Gabe von Schleifendiuretika eine sog. Verordnungskaskade ausgelöst werden, die dann ebenfalls zu weiteren Nebenwirkungen führen kann – im dargestellten Fall: akutes prärenales Nierenversagen.
Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Dr. med. Marina Karg, Prof. Dr. med. Harald Dormann, Dr. Barbara Pfistermeister, Christine Schnitzer
Quellen
- Mayer S, Zieglmeier M. Nebenwirkung Ödeme. Deutsche Apotheker Zeitung 20/2017
- Zieglmeier M. Lercanidipin und die Tücken der Pharmakokinetik. Deutsche Apotheker Zeitung 20/2017
- Rabady S. Beratungsanlass Beinschwellung: Differenzialdiagnostik in der Allgemeinpraxis. ZFA 10/2012
- Neuer Calciumantagonist: Lercanidipin mit hoher Verträglichkeit Deutsche Apotheker Zeitung 39/2000
- Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2019
- Messerli FH. Vasodilatory Edema: A Common Side Effect of Antihypertensive Therapy, AJH 2001; 14:978–9.
- Messerli FH et al. Pedal Edema - Not All Dihydropyridine Calcium Antagonists Are Created Equal, AJH 2002; 15:1019–20.
- Makani H et al. Effect of Renin-Angiotensin System Blockade on Calcium Channel Blocker-Associated Peripheral Edema, Am J Med. 2011 Feb;124(2):128-35.
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