Asystolie bei Delirtherapie?

Anamnese

Eine 92-jährige Patientin wird mit akuter respiratorischer Insuffizienz kardialer Genese (Pleuraerguss), mit Bradyarrhythmie (Herzfrequenz [HF] 56/min) und Hypotonie im Rahmen einer Digitalisintoxikation aufgenommen. Aufgrund eines hyperaktiven Delirs unter nichtinvasiver Beatmung wird eine Dexmedetomidin-Therapie initiiert. Hierunter zeigte sich die Patientin hypoton, zunehmend bradykard mit HF bis 25/min und hatte mehrfach asystole Phasen über 4 bis 5 Sekunden (Abb. 1), sodass Dexmedetomidin nach wenigen Stunden wieder abgesetzt wurde. Im Ruhe-EKG nach Absetzen der bradykardisierenden Medikation (Abb. 2): Vorhofflimmern, 97/min muldenförmige ST-Senkungen in I, II, III, aVF, V6 (charakteristisch für Digitalisglykoside).

Abb. 1. Asystole Phase (4,41s) unter Dexmedetomidin und Digitoxin.

Abb. 2. Muldenfrömige ST Senkungen in I, II, III bei Digitoxinintoxikation.

Diagnose

Bradyarrhythmie mit asystolen Phasen unter Dexmedetomidin und Digitoxinüberdosierung (Digitoxinspiegel 40 ng/ml).

Aktuelle Medikation

Digitoxin 0,07 mg (1-0-0-0) p.o., Pause
Metoprolol 47,5 mg (1-0-0-0) p.o., Pause
Quetiapin 100 mg (0-0-0-1) p.o.
Dexmedetomidin i.v., mittels Perfusor

Pathomechanismus

Dexmedetomidin ist ein selektiver Alpha-2-Rezeptoragonist. Als Sympatholytikum reduziert er die Freisetzung von Noradrenalin in den sympathischen Nervenendigungen. Die sedierende Wirkung erfolgt durch eine verminderte noradrenerge Aktivität im Hirnstamm. Bei niedrigen Infusionsraten dominieren die zentralen Wirkungen, wodurch Herzfrequenz und Blutdruck sinken. Bei höheren Dosen überwiegen die peripheren vasokonstriktiven Wirkungen, was zur Erhöhung des Blutdruckes führt, wobei die bradykardisierende Wirkung bestehen bleibt.

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Dexmedetomidin ist kontraindiziert bei Patienten mit unkontrollierter Hypotonie, akuten zerebrovaskulären Ereignissen und AV-Block 2. oder 3. Grades bei Patienten ohne Herzschrittmacher.
  • Vorsicht ist bei der Anwendung von Dexmedetomidin bei Patienten mit vorbestehender Bradykardie geboten. Fälle von Herzstillstand, denen häufig eine Bradykardie oder ein atrioventrikulärer Block vorausging, wurden gemeldet.
  • Ein kontinuierliches kardiovaskuläres Monitoring ist bei jeder Anwendung erforderlich.
  • Zwei Studien sprechen für eine Reduktion des Delir-Risikos bei der Behandlung von Intensivpatienten unter Dexmedetomidin [5, 6].
  • Dexmedetomidin ist bei jüngeren Intensivpatienten in der Altersgruppe ≤ 65 Jahren mit einem höheren Mortalitätsrisiko assoziiert [4]. Darauf weist auch ein aktueller Rote-Hand-Brief noch einmal hin.
  • Bei gleichzeitiger Anwendung von Betablockern und Digitalisglykosiden ist das Risiko für bradykarde Herzrhythmusstörungen erhöht. Die Herzfrequenz sollte engmaschig überwacht werden.

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Prof. Dr. med. Harald Dormann

Quellen

  1. Dexmedetomidin-Fachinformation
  2. Siebenand, S. Neue Arzneistoffe im Oktober 2011. Pharmazeutische Zeitung, 11/2011
  3. Dexmedetomidin für die Intensivstation. Deutsche Apotheker Zeitung 50/2011
  4. BfArM: Rote-Hand-Brief: Dexmedetomidin: Risiko von erhöhter Mortalität bei Intensivpatienten ≤ 65 Jahren
  5. Lewis K, et al. Dexmedetomidine vs other sedatives in critically ill mechanically ventilated adults: a systematic review and meta-analysis of randomized trials. Intensive Care Med. 2022 Jun 1. doi: 10.1007/s00134-022-06712-2
  6. Møller MH, et al. Use of dexmedetomidine for sedation in mechanically ventilated adult ICU patients: a rapid practice guideline. Intensive Care Med. 2022 May 19. doi: 10.1007/s00134-022-06660-x

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